15. Zurich Film Festival | Deutschsprachiges Filmschaffen
Aktuelles Filmschaffen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Alle 12 Filme im Überblick und unser Favorit ...
Im Wettbewerb «Fokus» präsentiert das Festival zwölf neue Spiel- und Dokumentarfilme aus den Produktionsländern Schweiz, Deutschland und Österreich. Die Reihe ist eine der eingenständigsten und spannendsten Sektionen des ZFF. Bei allen Filmen handelt es sich um erste, zweite oder dritte Regiearbeiten. Die Filme konkurrieren um ein mit CHF 20 000 dotiertes «Goldenes Auge», das durch eine internationale Jury vergeben wird.
1986 von Lothar Herzog (Deutschland) | Spielfilm
Die junge weissrussische Studentin Lena findet keinen Halt im Leben. Ihr Freund Viktor verhält sich immer undurchsichtiger – ob diese Liebe ihr guttut, weiss sie selbst nicht. Ihr Vater sitzt derweil im Gefängnis. Um die Kautionssumme aufzutreiben, beginnt Lena kurzerhand, seine illegalen Geschäfte weiterzuführen. Mit seinem alten Lkw fährt sie immer häufiger über die Grenze – in die Sperrzone von Tschernobyl. Ein Territorium, das mit seinen endlosen Wäldern und verlassenen Dörfern fasziniert. Doch Lena überschreitet immer weitere Grenzen, und längst nicht nur solche geografischer Natur.
Das meint das Festival:
«Lothar Herzogs Debüt wartet mit einer unerwartet starken Frauefigur auf, die sich in einer Männerdomäne durchsetzt. Virtuos bebildert und stark inszeniert.» Iria Gutscher
—————————————————
DIE GRUBE von Hristiana Raykova (Deutschland)
Was auf den ersten Blick wie ein wunderschönes Spa am Meer aussieht, nennen die Menschen aus Varna nur DIE GRUBE. Ein filmisches Porträt bulgarischer Gegenwart und die Untersuchung eines Mikrokosmos, der für eine ganze Gesellschaft steht.
Das meint das Festival:
«Diese heisse Quelle am Schwarzen Meer ist Dreh- und Angelpunkt des sozialen Miteinanders – ein wunderbar bebildertes, scharfsinniges Porträt der bulgarischen Gegenwart.» Reta Guetg
—————————————————
EASY LOVE von Tamer Jandali (Deutschland) | Spielfilm
Ausgehend von den wirklichen Biographien seiner Protagonistinnen erzählt Tamer Jandali in «Easy Love» von Liebe und Leben in vielerlei Gestalt: Vom Kampf um eine offene Beziehung über den Trieb zum anderen Geschlecht bis zu bezahltem Sex. Sieben Protagonisten. Und die Liebe. Liebe: Das ist Sehnsucht, Leidenschaft, Befriedigung, Lust, Eifersucht, Verzweiflung, Misstrauen, Zusammensein, Intimität, Glück. Auf jeden Fall ist die Liebe nicht so «easy», wie der Filmtitel suggeriert. Oder doch? Tamer Jandali stürzt sich hinein in die Emotionen seiner Protagonistinnen und Protagonisten – «Easy Love» ist eine Art Scripted Documentary, die Charaktere werden von Laien dargestellt, die sich mehr oder weniger selbst spielen.
Das meint das Festival:
«Hip, urban, zeitgemäss und unglaublich intim: ein Einblick in das Lebens- und Liebesgefühl von heute, zwischen hedonistischer Abenteuerlust und der Sehnsucht nach emotionaler Geborgenheit.» Reta Guetg
Interview mit dem Regisseur anlässlich der Berlinale 2019
—————————————————
I’LL BE YOUR MIRROR von Johanna Faust (Schweiz) | Dokumentarfilm
Die Künstlerin Johanna Faust ist dabei, ihre Kinder zu verlassen, um sich endlich wieder ihrer Kunst zu widmen. Da kommt ihr eine vage Erinnerung hoch: Hat ihre Grossmutter nicht dasselbe getan, mit schlimmen Folgen? Das intime Roadmovie erzählt von verlorenen Müttern und verlassenen Kindern, von den Verlockungen und dem Preis der Selbstverwirklichung, von den Abgründen des Mutterseins und von der tiefen Sehnsucht nach einem anderen Leben. «I’ll be your mirror» ist ein Road Movie, das auf sehr persönliche Weise ein Tabu hinterfragt. Mit schonungsloser Ehrlichkeit und bedrückenden Bildern erzählt der Film von generationsübergreifenden Erschütterungen, die unser Leben mitbestimmen, ohne dass wir es wissen.
Das meint das Festival:
«Mutterschaft zwischen Selbstaufgabe und Selbstverwirklichung – diese Thematik beschäftigt nicht nur die Filmemacherin. Ein sehr ehrlicher Film, der überraschend universelle Erkenntnisse liefert.» Iria Gutscher
—————————————————
LARA von Jan-Ole Gerster (Deutschland) | Spielfilm
Im Drama des «Oh Boy»-Regisseurs Jan-Ole Gerster pflegen Corinna Harfouch und Tom Schilling eine schwere Mutter-Sohn-Beziehung, die auf einem Konzert eskaliert. Lara Jenkins 60. Geburtstag beginnt wie jeder Tag mit einem Becher Tee und einer Zigarette. Dabei ist heute ein ganz besonderer Tag für Lara: ihr Sohn Viktor gibt ein grosses Solo-Klavierkonzert – das erste Mal mit einer eigenen Komposition. Seine Mutter hat er nicht dazu eingeladen; wohl aber seinen Vater Paul mit der neuen Lebensgefährtin. Lara hat indessen ihre eigenen Pläne. Sie hat sich die letzten Konzertkarten gesichert, die sie nun verteilen will – nach einem sehr eigenwilligen Prinzip – als Geburtstagsgeschenk für sich selbst. Doch der Tag verläuft anders als erwartet …
Das meint das Festival:
«Sieben Jahre nach OH BOY kehrt Jan-Ole Gerster mit einer vergnüglich-bösen Charakterstudie an den Schauplatz Berlin zurück. Corinna Harfouchs Tour de Force ist eine schauspielerische Meisterleistung.» Karl Spoerri
—————————————————
LILLIAN von Andreas Horvath (Österreich) | Spielfilm
Eine junge Russin, die in New York gestrandet ist, macht sich zu Fuss über Alaska auf den Heimweg – eine Reise durch die USA und Kanada ohne Wiederkehr. Andreas Horvaths Film über eine schier unglaubliche Odyssee.
Das meint das Festival:
«Atemberaubende Landschaften stehen in Kontrast zu den Gepflogenheiten ihrer Bewohner. Eine Dokufiktion, die zum Sinnbild einer widersprüchlichen Nation wird.» Reta Guetg
—————————————————
PELIKANBLUT von Katrin Gebbe (Deutschland, Bulgarien) | Spielfilm
Ein provokant-herausforderndes Drama mit einer grandiosen Nina Hoss, das sein Publikum – spätestens mit seinem Ende – in zwei Lager spaltet. Es war der einzige Deutsche Beitrag an den Filmfestspielen Venedig 2019.
Das meint das Festival:
«Nina Hoss riskiert alles und rüttelt heftig an gesellschaftlichen Konventionen und der Kulanz ihres Umfelds, um ihre unberechenbare Adoptivtochter Raya zu ‚retten‘.» Reta Guetg
—————————————————
SEA OF SHADOWS von Richard Ladkani (Österreich) | Dokfilm
Eine drohende Katastrophe in einer der spektakulärsten Landschaften der Welt ist Auslöser für eine einzigartige Rettungsaktion. Wenn Mexikanische Drogenkartelle und die Chinesische Mafia kollaborieren um den seltenen Totoaba Fisch in der Sea of Cortez (Golf von Kalifornien) zu wildern, bedrohen ihre tödlichen Methoden das gesamte maritime Leben der Region – inklusive das des extrem seltenen Vaquita, einer Unterart der Wale. Doch ein Team aus brillanten Wissenschaftlern, Naturschützern, investigativen Journalisten und mutigen Undercover-Agenten, hat es sich zum Ziel gesetzt, die Vaquitas zu retten. Sie riskieren ihr Leben um die internationalen Syndikate zu überführen.
Das meint das Festival:
«Richard Ladkani inszeniert seinen ausserordentlich mutigen Film wie einen Thriller: als dramatischen Wettlauf gegen die Zeit. Erschütternd. Aufrüttelnd.» Viviana Vezzani
—————————————————
arttv Favorit:.
SYSTEMSPRENGER von Nora Fingscheidt (Deutschland) | Spielfilm
Der Spielfilm «Systemsprenger» von Nora Fingscheidt ist für Deutschland im Oscar-Rennen. Benni (Helena Zagel) ist wütend. Benni rastet aus. Egal, wohin sie kommt, früher oder später fliegt die Neunjährige aus Wohngruppen oder Heimen, zur Schule geht sie schon gar nicht mehr. Sie schreit, sie ist aggressiv, sie ist nicht zu kontrollieren. Benni ist ein Systemsprenger: Das Jugendhilfesystem ist mit ihr überfordert.
Das meint das Festival:
«Das Debüt der ZFF-Masterclass-Alumna Nora Fingscheidt entwickelt eine lebensnahe Wucht. Die kraftvolle Darbietung Helena Zengels als unbändige Benni ist schlicht grossartig.» Viviana Vezzani
—————————————————
UNA PRIMAVERA von Valentina Primavera (Österreich, Deutschland, Italien) | Dokfilm
Valentina Primavera, die jüngste Tochter der Eheleute, reist nun mit der Kamera zurück ins Elternhaus, um eine jahrzehntelange Geschichte des Streits, der Beleidigungen und der häuslichen Gewalt frei- und offenzulegen. Und sie begleitet ihre Mutter bei dem Versuch, sich nach 40 Jahren Ehe endlich und endgültig von ihrem Mann zu trennen. Die Kamera ist ein gnadenloser Apparat. Ihre Gnadenlosigkeit auszuhalten – darin liegt die physische Kraft und Anstrengung dieses Films.
Das meint das Festival:
«Mit ihrem intimen und persönlichen Debütfilm zeigt Valentina Primavera eindrücklich auf, wie häusliche Gewalt in der Gesellschaft nach wie vor kulturell und sozial toleriert wird.» Stefanie Rusterholz
—————————————————
VOLUNTEER von Anna Thommen und Lorenz Nufer (Schweiz) | Dokfilm
Berührt von der Flüchtlingswelle reisen Freiwillige nach Griechenland, um den in den Booten ankommenden Menschen zu helfen. Was sie am Strand und in den Lagern erleben, verändert ihr Leben für immer. Zurück in der Schweiz sind sie zerrissen zwischen ihrem früheren sicheren Leben und dem Drang sich politisch zu engagieren. «Volunteer» zeigt die Geburt einer Bürgerbewegung mitten unter uns, die die humanitären Werte Europas verteidigt.
Das meint das Festival:
«Die Bilder der ankommenden Boote kennen wir zur Genüge, aber wer steht hin und hilft? Ein sehr eindrücklicher und intensiver Film, der auch den Grundfragen des Zusammenlebens und Menschseins im Generellen nachgeht.» Iria Gutscher
—————————————————
WAREN EINMAL REVOLUZZER von Johanna Moder (Österreich) | Spielfilm
Nach dem Hilferuf eines russischen Freundes aus Studentenzeiten ergreifen zwei befreundete Wiener Paare, moderne urbane Enddreissiger, kurzentschlossen die verlockende Chance zu helfen: Endlich einmal nicht nur reden, sondern wirklich was tun. Doch was die Wiener als Abenteuer begreifen, bedroht rasch das Gefüge der alten Freundschaft und der Beziehungen zueinander. Vor allem weil Hilfe sehr unterschiedlich definiert werden kann, und auch, weil sich die Hilfsbedürftigen anders verhalten als die Helfenden das gerne hätten.
Das meint das Festival:
«Eine explosive Dramödie über Freundschaft, Beziehungswirren und Hilfeleistung – miteinander, gegeneinander, füreinander oder einfach aneinander vorbei. So wie das Leben eben.» Reta Guetg