Berlinale | Starke Frauen - arme Schwule
Sie gehören beide derselben Generation an und sind doch unterschiedlich wie Tag und Nacht: Madonna und Patti Smith. Beide sind sie mit Filmen an der Berlinale vertreten, wenn auch nicht gleich glücklich.
Während Madonna (50) auf ewig jung und sexy macht, präsentierte sich Smith (61) an der Pressekonferenz gewohnt ungeschminkt mit langen grauen Haaren dafür mit Substanz, Sinnlichkeit und Seele. Als grosse Überraschung griff sie dann auch noch zur Gitarre um für die Anwesenden zu singen, nachdem sie verlauten liess, dass sie Wagner und Brecht mag.
Steven Sebrings Dokumentation über die Sängerin, Dichterin, Mapplethorpe-Freundin, frauen- und schwulenbewegte Ikone und Musik-Legende Smith hat mit Madonnas Regiedebut “Filth and Wisdom” eine Gemeinsamkeit: Beide sind im Wettbewerb um den Teddy- Queer Film Award. Das gilt auch für eine weitere starke Frau im Bunde: Doris Dörrie zeigt an der Berlinale “Kirschblüten – Hanami”.
Kaum Chancen auf eine Auszeichnung dürfte Madonna haben, so unglücklich Sie bisher als Schauspielerin agierte, so misslungen ist ihr Film. Um ihr die Schmach zu ersparen lässt man ihren Erstling weit ab vom Festivalzentrum zur Premiere antreten und dies klugerweise nicht im offiziellen Wettbewerb.
Dafür hat es viele andere hervorragende Filme, die sich um den Teddy streiten. Besonders bewegte bisher “A Jihad For Love” von Parvez Sharma. Der Film begleitet gläubige Muslime, die trotzdem zu ihrer Homosexualität stehen. In Ländern wie Ägypten oder Iran werden sie dafür gefoltert und verfolgt. Ebenfalls mit Homosexualität und dem Islam beschäftigt sich der Film “Das andere Istanbul” der jungen türkisch-deutschen Regisseurin Döndü Kilic. Während hier im Westen Schwule zur Zierde von Lifestyle, Gutem Geschmack, Erfolg und einem aufregenden Leben geworden sind, rufen die beiden Filme in Erinnerung, wie schwer das Leben andernorts für Homosexuelle ist.
Unermüdlich präsentierte auch Rosa von Praunheim einen neuen Film. “Tote Schwule, lebende Lesben” besteht aus Portraits, die unter die Haut gehen. Praunheim lässt inzwischen verstorbene, ältere schwule Männer zu Wort kommen, die unter dem totalitären Regime der Nazis gelitten haben. Demgegenüber stellt er Portraits von lebenden Lesben. Wenn auch nicht Oper roher Gewalt, sind sie heute noch wesentlich weniger akzeptiert als Gay-Männer.
Felix Schenker