CH-Kino | Du bruit dans la tête
Mit seinem zweiten Langspielfilm «Du bruit dans la tête» stellt der Genfer Filmemacher Vincent Pluss erneut sein Regietalent unter Beweis, indem er eindrucksvoll die Gefühlswelt einer jungen Frau auslotet.
Synopsis: Die 30-jährige Laura (Celine Bolomey) befindet sich privat und beruflich in der Krise. Nach einem Studienaufenthalt in Quebec zurück in Genf, kann sie nicht mehr richtig Fuss fassen in der alten Heimat. Eben hat sie sich von ihrem Freund Jérôme (Frederic Landenberg) getrennt, kann aber dennoch nicht von ihm lassen. In der Redaktion, wo sie probeweise als Journalistin arbeitet, fühlt sie sich nicht wohl. Unverstanden und einsam mischen sich Gedanken und Gefühle zu einem Rauschen in ihrem Kopf. Durch die selbstkritische Stimme von Laura hörbar und in Bildern sichtbar, erfahren wir im Gegensatz zu ihren Mitmenschen, wonach Laura sich gerade sehnt, und dass ihre Wünsche nicht der Wirklichkeit entsprechen. Somit entsteht eine Spannung zwischen Lauras Innen- und Aussenwelt, die sich bald zu einem interessanten Wechselspiel entwickelt. Denn während sich ihr Gefühlschaos anfänglich noch aus den äusseren Umständen ergibt, treibt dieses zunehmend selbst die Handlung voran: Eines Abends begegnet Laura auf der Strasse dem obdachlosen Teenager Simon (Gabriel Bonnefoy), der versucht, sich mit dem Verkauf von Gratiszeitungen über Wasser zu halten. Sie lädt ihn zu einem Kaffee ein, lässt ihn in ihrer Wohnung duschen und schliesslich im Gästezimmer übernachten. Kurz darauf verliert sie, noch in der Probezeit, ihren Job. Verzweifelt und Halt suchend, wird Simon zu ihrem privaten Hilfsprojekt. Doch der neue Wohngenosse verstärkt nur das Chaos in ihrem Leben. Stars: Celine Bolomey wurde für ihre Rolle verdientermassen als «Beste Schauspielerin» mit dem Schweizer Filmpreis 2009 ausgezeichnet. Regie & Crew: Der Genfer Filmemacher Vincent Pluss hat nach erfolgreichen Kurzfilmen mit «Du bruit dans la tête» nun seinen zweiten Langspielfilm realisiert, für den er zusammen mit Patrick Claudet auch das Drehbuch geschrieben hat.
art-tv-Wertung: Die innere Befindlichkeit einer Figur erfahrbar zu machen, ist schon lange nicht mehr nur der Literatur vorbehalten. «Du bruit dans la tête» ist ein aktuelles Beispiel dafür, dass das Kino – mit anderen Mitteln – dazu genauso in der Lage ist. Die Konzentration auf das innere Unbehagen der zentralen Figur ist im Übrigen typisch für das aktuelle Westschweizer Kino, das sich diesbezüglich auf Filme von Tanner, Goretta und Co aus den sechziger Jahren zurück besinnt. Die vielschichtige Inszenierung und Figurenzeichnung ermöglicht eine starke und intime Begegnung mit der Hauptfigur, deren innere Konflikte uns direkt offenbart werden. Dass der Film eine gewisse Unbeschwertheit trotzdem nicht verliert, verdankt er seinem oft unerwarteten Humor und seiner authentischen Wirkung. Dieser Eindruck beruht wohl auch auf dem Umstand, dass Pluss, wie schon in seinen bisherigen Filmen, das Drehbuch in Zusammenarbeit mit den Schauspielern entwickelt, und ihnen auch bei der Realisation des Filmes viel Raum für Improvisation gelassen hat. Fazit: Mit «Du bruit dans la tête» beweist Vincent Pluss dass er die Kunst der filmischen Einfühlung hervorragend beherrscht. Ein Film, den man unbedingt durchleben sollte.
Isabel Bures