CH-Spielfilm | Le milieu de l'horizon
Wenn die Hitze überkocht! Lesbische Lebensentwürfe im Sommer 1976 - dekoriert mit vier Nominationen für den Schweizer Filmpreis.
Drastisch und symbolgeladen präsentiert sich Delphine Lehericey Spielfilm «Le milieu de l’horizon». Durchkomponiert, mit schönen Bildern, in Nordmazedonien gedreht vermag er durch seine Atmosphäre und die hervorragenden schauspielerischen Leistungen zu überzeugen. Besondere brillant ist der erst fünfzehnjährige Wallisers Luc Bruchez. Für seine allererste Filmrolle ist er für den Schweizer Filmpreis als bester Darsteller nominiert.
Zum Film
Nach dem Roman «Das Flirren am Horizont» des Schweizer Schriftstellers Roland Buti inszeniert Regisseurin Delphine Lehericey in ihrem Sozialdrama die Geschichte einer Familie. Sommer 1976: Europa erlebt eine kaum zu ertragende Hitzewelle. Auf dem Bauernhof seiner Eltern (Laetitia Casta, Thibaut Evrard) verbringt der junge Gus (Luc Bruchez) seine Ferien mit Tagträumen und der Arbeit auf dem Hof und im Stall. Nur widerwillig sammelt er täglich die toten Hühner ein, die im überhitzten Stall verenden. Die Emotionen kochen hoch, als eine Freundin von Gus‘ Mutter, die lebenslustige, lesbische Cécile (Clémence Poésy), immer öfter zu Besuch kommt. Alle Beteiligten geraten allmählich in einen Strudel aus Eifersucht, Missgunst und verletzten Eitelkeiten.
arttv-Stimme: Madeleine Hirsiger
Es kommt selten vor, dass mich die Atmosphäre in einem Film dermassen packt. In «Le milieu de l’horizon» («Das Flirren am Horizont») kann das Gefühl unerträglicher, tödlicher Hitze kaum abgeschüttelt werden. Dem Diktat der sengenden Sonne folgend, unterwirft sich die ganze Geschichte vom ersten Bild an. Der Film beginnt mit einer schnellen Velofahrt des 13-jährigen Gus durch eine leere Landschaft. Seit Monaten hat es nicht mehr geregnet. Verbissen und von der Hitze gezeichnet, tritt Gus in die Pedale, als ginge es ums Überleben – um sein Überleben – und um die Existenz des einfachen kleinen Bauernbetriebes weit draussen auf dem Land, wo alle Familienmitglieder mit anpacken müssen. Die toten Hühner im überhitzten Plastikzelt werden täglich eingesammelt, das alte Pferd wartet im Schatten eines Baumes auf sein Ende. Die Sommerhitze ist unerbittlich, eine Herausforderung für Mensch und Tier. Dieses beklemmende Klima bestimmt die Geschichte: Gus steht mitten in der Pubertät, wo vieles durcheinander gerät. Die Mutter (Laetitia Casta), die zu Gus ein inniges Verhältnis hat, findet unerwartet die Liebe zu einer Freundin, der Vater fühlt sich ausgeschlossen, ist verzweifelt und bringt nichts mehr auf die Reihe. «Le milieu de l’horizon» ist in all seinen Facetten ein beeindruckender Film, die Handlung ist dramatisch aber absolut nachvollziehbar. Die Schweizer Regisseurin Delphine Lehericey führt sicher durch die bildstarke Geschichte und die Schauspieler sind eine Entdeckung. Allen voran der 15-jährige Walliser Luc Bruchez, der in seiner ersten Filmrolle brilliert.
Weitere Stimmen
«Das Faszinierende am Film sind die Bilder und die beeindruckende schauspielerische Leistung aller Darsteller. Die Geschichte selber hinterlässt bei mir persönlich eher einen ambivalenten Eindruck» – Felix Schenker, arttv Chefredaktion | «Von der ersten Minute an setzt Regisseurin Delphine Lehericey auf beeindruckende Landschaftsaufnahmen und eine kraftvolle Bildsprache. Die stark durchkomponierten, erlesenen Aufnahmen vergegenwärtigen dem Zuschauer dabei vor allem die sengende Hitze. Lehericey verstärkt dies noch, indem sie in der Farbgebung besonders auf Gelbtöne setzt. So wirkt alles noch heller und heisser. Die um sich greifende Wärme ist förmlich greif- und spürbar, wenn die Sonne durchgehend unerbittlich auf die ausgedörrten Felder und vertrockneten Landstriche scheint.» – Björn Schneider, cineman.ch | «Drama wird in Delphine Lehericeys Romanverfilmung gross geschrieben, und so ist Subtilität hier nicht gefragt. Die Emotionen sind gross und die Nerven liegen blank. … dieser Coming-of-Age Geschichte zu folgen, ist dementsprechend nicht gerade mitreissend, auch wenn sie in wunderschöner Optik eingefangen wurde,» – outnow.ch | «Regisseurin Delphine Lehericey stützte sich für ihren Film auf den gleichnamigen Roman des Lausanner Autoren Roland Buti, der dafür 2014 mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Laut Buti ist die Romanhandlung autobiografisch. Lehericey ihrerseits fand darin einen Teil ihrer eigenen Geschichte wieder, hat sie doch selbst den Vater des gemeinsamen Sohns verlassen, als sie sich in eine Frau verliebte.» – filmbulletin, Doris Senn
Im Film mit dabei, Schauspieler Fred Hotier: Eines der spannendsten jungen Gesichter im europäischen Kino.