Dokumentarfilm | Passion - Zwischen Revolte und Resignation
Was ist geblieben von den Utopien? Christian Labharts Essay über die Fragilität einer Existenz im entfesselten Kapitalismus.
Ein Film über die Gefühlslage der 68er-Generation, die ihre vor 50 Jahren entwickelte, kämpferische Perspektive zu verlieren droht. Autobiografische und poetische Texte von Franz Kafka, Bertolt Brecht, Slavoj Žižek, Ulrike Meinhof prallen auf monumentale Bilder einer Reise durch den kapitalistischen Dschungel aller fünf Kontinente. Sie öffnen den Blick auf Konsum, Klimaerwärmung, Flucht und Ungleichheit.
Zum Film
«Zürich – im Sommer 1968. Ich war gerade mal fünfzehn Jahre alt – auf dem Heimweg vom Tanzkurs», erinnert sich der Filmemacher Christian Labhart. Plötzlich habe er sich «mitten drin» befunden: «Eine Energie, eine Gewalt, wie ich sie in meiner Stadt noch nie gesehen hatte. Angst und Verwirrung, aber auch Faszination.» Aus der Tiefe sei sie hochgestiegen: die Utopie einer gerechten Welt. Genau 50 Jahre später realisiert Labhart den Film «Passion – Zwischen Revolte und Resignation». Es handle sich dabei um einen Film über seinen Umgang mit der schmerzlichen Tatsache, «dass die Welt heute nicht so ist, wie ich sie mir vor 50 Jahren erträumte.» Im Film prallen Bilder aus der Welt von heute auf fragmentarische Erinnerungen an damals, auf poetische Texte und auf Bachs «Matthäuspassion».
Hintergrund
Labharts Film führte im Februar zu heftigen Kontroversen, nachdem er nicht zu den den Solothurner Filmtagen eingeladen wurde. Die Ablehnung hatte sogar zu einer Petition von einer Gruppe von Filmschaffenden geführt, die quasi die Aufführung des Films einforderten. «Wir wollen den Schweizer Film feiern», so erklärte Seraina Rohrer, die Direktorin der Solothurner Filmtage, doch es sei unmöglich, alle Filme zu zeigen, die während eines Jahres produziert würden. «Sollen etablierte Filmschaffende automatisch das Anrecht auf einen Platz im Programm haben?», so fragte sie leicht provokativ, ergänzte aber, dass sie sich gerne der Diskussion stellen würden. Ironie des Schicksals: Am diesjährigen Dokfilmfestival «Visions du Réel» wird Labharts Film der einzige Schweizer Beitrag im Wettbewerb sein.
Stimmen
«Christian Labhart sammelt in seinem Essayfilm Eindrücke aus dem ‹kapitalistischen Dschungel› (Labhart) und kontrastiert diese Bilder (geschaffen vom kürzlich verstorbenen grossen Schweizer Kameramann Pio Corradi und seinem jungen Kollegen Simon Guy Fässler) mit einer Vielzahl von Archivaufnahmen weltweiter Revolten und Aufbruchbewegungen. Herausgekommen ist ein subjektives, bald wütendes, bald trauriges Dokument eines engagierten Cineasten, der sich und seinen Überzeugungen treu geblieben ist.» – Geri Krebs, arttv | «Die Bilder sind von grosser, erzählerischer Kraft, auch dann, wenn sie Umweltzerstörung und Vereinsamung in den Konsumparadiesen der ersten Welt zeigen. Der obszöne Waren-Überfluss und die Kälte digitaler Wirklichkeiten verweisen wortlos auf die dahinterliegende Brutalität durch Kahlfrass und Ausbeutung.» – Kuno Schuler, Musiker