Gewinner | Peter Liechti
Am 6. Planete Doc Review Filmfestival in Warschau ist Peter Liechti’s Film «The Sound of Insects – Record of a Mummy» mit dem Millennium Award ausgezeichnet worden.
Die am Filmfestival in Rotterdam mit einer Carte Blanche an den St. Galler Regisseur begonnene Karriere des Films «The Sound of Insects» verläuft äusserst erfolgreich: Nach der Präsentation des Films im Wettbewerb des Filmfestivals «Visions du Réel» in Nyon im April lief er in Toronto am Hot Docs Festival, zwei der prestigeträchtigsten Veranstaltungen für Dokumentarfilme. Das Festival Planete Doc Review in Warschau hat sich in nur sechs Jahren zu einer der interessantesten Plattformen für den Dokumentarfilm in Osteuropa entwickelt. Für den mit 8’000 Euro dotierten Preis des Festivals, der Liechti zugesprochen wurde, waren 19 internationale Dokumentarfilme im Rennen.
>art-tv Interview mit dem Regisseur
Synopsis des Films: Es ist der grosse Topos der Abwesenheit, der Peter Liechti dazu veranlasst hat, in «The Sound of Insects – Record of a Mummy» die Geschichte eines vierzigjährigen Mannes zu erzählen, der sich tief in einen Wald zurückgezogen hat, um sich dort buchstäblich zu Tode zu hungern. Dieser Mann hat in Japan wirklich gelebt, wo der Schriftsteller Shimada Masahiko aus seinem Tagebuch eine Erzählung destilliert hat, die Peter Liechti zur Grundlage für seinen Film genommen hat.
Dieser Mensch wirkt durch sein Tagebuch, das neben seiner Leiche gefunden wurde und in Auszügen im Off vorgelesen wird, seltsam präsent. Lauschen wir also den Stimmen von Peter Mettler in der englischen und von Alexander Tschernek in der deutschen Fassung, wie sie verhalten die hochphilosophischen Prosatexte dieses selbstgewählten Kreuzwegs vortragen. Man stelle sich eine Symphonie in Ton und Bild vor, die den Alltag dieses Mannes nachzeichnet.
art-tv Wertung: Die aus durchsichtigen Planen bestehende Hütte wird wie ein verwunschenes Haus gefilmt, die Kamera beobachtet, bewegt sich, ändert den Blickwinkel, fängt die unterschiedlichen Phasen des Lichts ein, die unendlich bewegte Natur, in deren Gedächtnis sich die Spur des mittlerweile verschwundenen Mannes zweifellos eingegraben hat. Dabei geht es nicht um einen subjektiven Blick, der den Zuschauer sich an die Stelle des Mannes versetzen liesse, sondern um die Suche nach der metaphysischen Dimension dieser Geschichte. Was vermag das Kino der Menschen gegenüber einem Leben auszurichten, das sich inmitten einer wuchernden Natur aufzehrte? Mann muss diesem Wald lauschen, ihn betrachten, und er erlangt mythologischen Charakter. Ein Schwall von Bildern steigt auf, Erinnerungsfetzen, Gesichter, Gestalten, Gespenster aus einer anderen Welt – wie jener Schimmel –, die von den Niederlagen des Lebens zeugen. Peter Liechti hat sich für seinen Film von diesem meditativen und halluzinierten Raum inspirieren lassen. Er will uns an seinem Glauben teilhaben lassen, dass das Kino jenes herrliche magische Band zwischen den Lebenden und den Toten sei.