Hive
Fahrijes ist eine starke Frau, die für ihre Familie und auch gegen eine feindselige Gemeinschaft kämpft.
Eine Frau, deren Mann seit dem Kosovo-Krieg vermisst wird, nimmt ihr Leben selbst in die Hand: Sie gründet ihr eigenes Unternehmen, um ihre Familie zu unterstützen und anderen Frauen in ihrem Dorf Arbeit zu geben. Der Film, der auf einer wahren Geschichte beruht, wurde beim renommierten Sundance Filmfestival 2021 in den USA mehrfach ausgezeichnet.
Rezension von Madeleine Hirsiger
Es ist die eindrückliche Persönlichkeit und das Spiel der Protagonistin Fahrije (Yllka Gaschi), die faszinieren und Spannung erzeugen, nicht die spärlichen Worte, die gesprochen werden und wohl auf ein paar wenigen Seiten Platz hätten. Mit ihrer Präsenz und stetig wachsendem Selbstvertrauen bringt sie eine Geschichte (nach einer wahren Begebenheit) erfolgreich zu Ende. Sie gehört zu jenen Frauen, deren Männer als vermisst gelten – im bewaffneten ethnischen Konflikt vor der Jahrhundertwende im Kosovo. Das Dorf, in dem Fahrije lebt, ist klein, die soziale Kontrolle total, das klassische Rollenbild zementiert: Die Witwe hat zu Hause zu bleiben, soll putzen und kochen, für die Kinder da sein und vor allem die Schwiegereltern respektieren. Der Schwiegervater hat anstelle ihres Mannes nun das Sagen. Das wird Fahrije allmählich zu eng. Sie musste etwas tun, um zu überleben. Der Verkauf von eigenem Honig brachte zu wenig ein. In der Frauen-Selbsthilfegruppe wurde sie überredet, die Autofahrprüfung zu machen. Sie war die Einzige, die sich traute und es brachte ihr Arbeit. Zu Hause beginnt sie, die traditionelle Paste «Ajvar» aus Paprikaschoten herzustellen, die sogar im Supermarkt verkauft werden soll, weil sie so gut ist. Da bläst ihr endgültig ein eisiger Wind des alten, kaffeetrinkenden Patriarchats ins Gesicht. Sie wird als Hure abgestempelt, ein Stein fliegt durch die Autoscheibe und auch ihre pubertierende Tochter distanziert sich von ihr. Sie will keine solche Mutter. Aber allmählich wendet sich das Blatt. Viele Frauen werden mutiger und helfen nun mit bei der Ajvar-Herstellung, selbst die Tochter steigt ein. Und die Frauen lassen sich nicht mehr bremsen.
Es ist ein wunderbares Gefühl – hoffentlich nicht nur bei den Zuschauerinnen – zu sehen, wie es möglich ist, aus der Misere rauszukommen, wenn man sich etwas zutraut. Die junge Drehbuchautorin und Regisseurin Blerta Basholli aus dem Kosovo wurde mit ihrem ersten Spielfilm am Sundance-Festival in Kalifornien mit drei Preisen belohnt. Heute wird die Paprika-Paste der echten Fahrije in einer Konservenfabrik professionell hergestellt, mit ausschliesslich weiblichen Mitarbeiterinnen. Fahrije Hoti ist zur Unternehmerin geworden. Sie beliefert die meisten Städte im Kosovo. Ja, sogar in der Schweiz ist ihr Ajvar erhältlich. Eine in allen Teilen gelungene Erfolgsgeschichte einer engagierten und unerschrockenen Frau, die auch 20 Jahre nach Kriegsende immer noch auf ein Zeichen ihres verschollenen Mannes wartet.
Madeleine Hirsiger, arttv
Hive | Die Synopsis
Farhije hat keine Neuigkeiten von ihrem Mann, der wie so viele andere während dem Kosovo-Krieg verschwunden ist. Sie kümmert sich alleine um ihre beiden Kinder und ihren kranken Schwiegervater. Um ihre Familie zu versorgen, gründet Fahrije ein kleines Unternehmen und beginnt zusammen mit anderen Frauen aus dem Dorf die Gemüsepaste Ajvar zu produzieren. Doch ihr Ehrgeiz und ihr Wunsch nach Autonomie werden in ihrem traditionellen Umfeld nicht gern gesehen, ihre Arbeit wird sogar sabotiert. Hartnäckig, energisch und freiheitsliebend kämpft Farhije unerbittlich gegen die Vorurteile ihrer Gemeinschaft. Sie will ihren Kindern und den Frauen in ihrem Dorf eine Zukunft ermöglichen, während sie noch immer dem Mann nachtrauert, den sie geliebt hat. Der auf einer wahren Geschichte beruhende Film markiert den internationalen Durchbruch der jungen kosovarischen Filmemacherin, indem er am Sundance Film Festival 2021 drei Preise gewonnen hat.
Hive | Weitere Stimmen
«‹Hive› ist ein starker Frauenfilm – mit einer bemerkenswerten Hauptdarstellerin: der albanischen Schauspielerin Yllka Gashi.» – Euronews | «Basholli macht die Tragik dieser Frau erfahrbar und entwickelt an ihrem Beispiel gleichzeitig eine erbauende, feministische Aufsteigerinnengeschichte.» – Andreas Scheiner, NZZaS | Ryan Lattanzio, IndieWire | «‹Hive› baut eine starke Geschichte um die Eigenständigkeit und Zielstrebigkeit einer einfachen Frau vom Lande auf, die von Yllka Gashi mit glamouröser aber fesselnder Coolness gespielt wird.» – Deborah Young, The Hollywood Reporter
Blerta Basholli ist eine Autorin und Regisseurin mit einem originellen visuell realistischen Stil. Ihre Geschichten befassen sich mit sozialen und geschlechterspezifischen Fragen in ihrem Geburts- und Heimatland, dem Kosovo. Im Jahr 2008 erhielt sie ein Stipendium der Tisch School of the Arts an der New York University. Sie lebte vier Jahre lang in New York, wo sie als Studentin die Gelegenheit hatte, an mehreren Filmprojekten mitzuarbeiten. 2011 kehrte sie in ihre Heimat zurück, wo sie als Autorin und Regisseurin an zahlreichen Kurz- und Spielfilmen mitwirkte. «Hive» ist ihr erster Spielfilm, mit dem sie nach ihrer Rückkehr in den Kosovo begann.