Internationale Kurzfilmtage Winterthur | Programmvorschau
Die 21. Ausgabe des wichtigen Festivals wartet mit Entdeckungen auf. Abseits von Hollywood, Bollywood und Nollywood.
Aufschwung des südostasiatischen Kinos, eine neue Filmemachergeneration aus Griechenland, starke Frauen aus Polen, Fredi M. Murer im Zeitgeist der 68er und die Züri Shorts, ein Panorama zum lokalen Filmschaffen: Das diesjährige Programm der Kurzfilmtage bietet Einblick in unbekannte und verborgene Welten und regt zur Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen an.
Grosser Fokus: Südostasien
Südostasien ist eine Region voller Kontraste. Der Grosse Fokus umfasst Filme aus zehn südostasiatischen Ländern, darunter Thailand, die Philippinen und Myanmar. Die Kurzfilme sind so mannigfaltig wie die Region selbst und behandeln ein breites Themenspektrum rund um Politik, den Umgang mit Erinnerung, Familie, Tradition oder Sexualität. Im Filmbereich gehört die Region zu den künstlerisch lebendigsten und produktivsten unserer Zeit. Angetrieben durch eine junge, sehr selbstbewusste Generation entstehen zahlreiche Kurz- und Langfilme, die eine ganz eigene, neue Filmsprache sprechen.
Südostasien mag aus westlicher Sicht in erster Linie eine Reisedestination sein. In den letzten Jahren hat sich jedoch – auch dank der stärkeren Verbreitung von professionellen digitalen Kameras und Filmsoftware – eine innovative unabhängige Filmszene gebildet: Filmschaffende wie Brillante Mendoza ( «Kinatay», bester Regisseur Cannes 2009), Lav Diaz («The Woman Who Left», Goldener Löwe Venedig 2016) oder Apichatpong Weerasethakul («Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives», Goldene Palme Cannes 2010) feiern an internationalen Festivals grosse Erfolge und ziehen als Vorbilder, Mentoren oder Produzenten eine neue Regiegeneration nach. Diese vermittelt eine Sicht auf ihre Länder, die sich deutlich von touristischen Klischees unterscheidet. Auch bezüglich der politischen Gegenwart (z. B. in Thailand) konzentriert sich die Auswahl an den Kurzfilmtagen auf Aspekte, die in den Medien meist nur am Rande gezeigt werden.
Südostasiatische Kurzfilme legen grossen Wert auf eine metaphorische Filmsprache sowie eine getragene, oft gemächliche Erzählweise, die nicht selten von einem schrägen, bisweilen surrealen Humor durchzogen ist. Die Geräuschkulisse verleiht vielen Filmen eine fast magische Atmosphäre. Zudem wird häufig mit einer Symbolik gearbeitet, die dem westlichen Auge auf den ersten Blick fremd erscheint. Lässt man sich als Zuschauer aber darauf ein, so entfaltet sich eine überraschende Tiefe und ungeahnte Schönheit.
Person im Fokus: Pimpaka Towira
Passend zum diesjährigen Schwerpunkt steht die thailändische Filmemacherin Pimpaka Towira als Person im Fokus. Als erste weibliche Filmschaffende des Landes, die sich unter internationalen Kritikern und Cineasten einen Namen gemacht hat, ist sie eine der wichtigsten Stimmen des thailändischen Kinos. Seit nunmehr 10 Jahren schreibt, filmt und produziert sie ihre Filme über die eigene Produktions- und Distributionsfirma extra virgin.
2003 debütierte Towira mit ihrem ersten Langfilm «One Night Husband» an der Berlinale. 2007 drehte sie «The Truth Be Told: The Cases Against Supinya Klangnarong», einen politischen Dokumentarfilm über eine junge thailändische Journalistin, die über den Interessenkonflikt zwischen der Shin Cooperation und dem damaligen Präsidenten Thaksin Shinawatara schrieb und darauf auf 10 Millionen Dollar verklagt wurde. Politische Themen finden sich häufig in Towiras Werk, auch wenn sie sich selbst nicht als politische Filmemacherin bezeichnet. Den Kurzfilm betrachtet sie vor allem als Experimentierfeld.
Land im Fokus: Griechenland
Geografisch etwas näher bei Winterthur liegt Griechenland, das Land im Fokus der diesjährigen Kurzfilmtage. Die griechische Filmszene ist lebendiger denn je: Just als das Ausmass der griechischen Wirtschaftskrise in den Jahren 2009/10 sichtbar wurde, startete das griechische Kino international durch. Filme wie «Dogtooth» von Yorgos Lanthimos, der 2009 den Prix Un Certain Regard in Cannes und 2011 eine Oscar-Nomination für den besten fremdsprachigen Film erhielt, weckten das Interesse für den griechischen Film. Und gerade auch im Kurzfilm macht seit einigen Jahren eine neue Generation junger Filmtalente mit einem eigenen unverkennbaren Stil von sich reden. Einige der Regisseur*innen erkunden die gegenwärtige sozio-ökonomische Situation des Landes und behandeln schwierige Themen wie Armut, Arbeitslosigkeit, Rassismus und Migration. Andere konzentrieren sich eher aufs Private, erzählen von Kindheitserinnerungen oder Geschichten, die sich fernab von den krisengeschüttelten urbanen Zentren abspielen, inszenieren alltägliche Situationen mit Humor, porträtieren ungewöhnliche Liebesbeziehungen oder erschaffen rätselhafte Welten zwischen Realität und Imagination. Die Kurzfilmtage stellen das vielfältige zeitgenössische Filmschaffen dem «New Greek Cinema» der 60er Jahre gegenüber. Wie ihre jungen Kolleg*innen heute gewannen die damaligen Regisseur*innen Festivalpreise im In- und Ausland und veränderten die filmische Landschaft ihrer Heimat. Das Kino in Griechenland war, ist und bleibt innovativ.