Kino | An Education
Die Freiheit wächst wie so viele andere Dinge nicht auf Bäumen: so der Lehrgang der vom leichten Leben verführten College-Studentin Jenny (Carey Mulligan).
Synopsis: Jenny ist eine Musterschülerin an einem Londoner Vorstadt-College in den Pre-Beatles 60er-Jahren. Sie bereitet sich gerade auf die Eintrittsprüfungen für Oxford vor, und ihr Leben ist arbeitsam und nicht gerade aufregend. Da trifft sie David (Peter Saarsgard) an einem verregneten Nachmittag, und alles ändert sich: David ist ein Mann von Gesellschaft und Vermögen. Er bringt sie mit einem ganz anderen, schillernden, nicht bürgerlichen Leben in Berührung. Bald muss ihre Schulkarriere darunter leiden, und sie hat sich zu entscheiden zwischen dem harten, langwierigen Weg des Studiums und Davids viel versprechendem, andersartigem Leben. Stars: Die junge Carey Mulligan («Pride and Prejudice» 2005) hat Potential, und steht Peter Saarsgards («Boys don’t cry» 1999) Präsenz in keiner Weise nach. Regie & Crew: Lone Scherfig, erstmals bekannt durch «Italian for Beginners» (2000), hat schon immer ein Gefühl für feinen, leichten Humor besessen, und auch in diesem Film wird das eigentliche Thema mit viel Charme vermittelt.
art-tv-Wertung: Nicht zu glauben, dass Lone Scherfig einst Dogma-Filme drehte! Sie stellt alle herkömmlichen filmischen Mittel hier ganz in den Dienst einer guten, unterhaltsamen Geschichte. Es geht um den Preis von individueller Freiheit und Unabhängigkeit; der Film bedient sich der Voraufbruchstimmung der frühen 60er-Jahre, um den Kontrast zwischen dem «leichten» Leben Davids und dem asketischen Leben einer Studentin zu unterstreichen. So gesehen hat der Film des Zuschauers Sympathie auf Seiten Davids garantiert; während Jennys pflichtbewusstes Leben und das ihrer biederen Lehrerinnen, ebenso wie das beschränkte Kleinbürgertum ihrer Eltern überholt und engstirnig wirken. Der Film führt mit viel Doppelbödigkeit mitten in die verführerische Welt Davids und seiner Freunde: Jennys Faszination ist nachvollziehbar, auch wenn sehr naiv – doch das macht genau ihren Reiz aus. Die Wiederbesinnung auf Schreibstift und Bücher ist eine logische Folge von Jennys Erlebnissen: das Leben ist eben doch die beste Schule! Fazit: Fade, kurzsichtige Studentinnen mit Pickeln im Gesicht sind das Klischee, das mit dem wirksamen Hausmittel «Lebenserfahrung» bekämpft wird; Scherfig verabreicht dem Zuschauer die Dosis mit schwungvollem Charme.
Isabel Rohr