Kino | Le concert
Ein gefallener Dirigent auf der Suche nach der «absoluten Harmonie»: «Le Concert» ist mehr als nur ein Musikfilm.
Synopsis: Weil er sich weigerte jüdische Musiker zu entlassen, wurde der meisterhafte Dirigent des Moskauer Bolschoi-Theaters Andreï Filipov (Alexeï Guskov) 1980 während eines Konzertes öffentlich gedemütigt und des Amtes enthoben. Seither blieb ihm seine Leidenschaft verwehrt und das Traum-Konzert unvollendet. Nur noch als Hauswart des Theaters kann er gelegentlich den harmonischen Orchesterklängen lauschen. Eines Tages entdeckt er ein Fax, in dem das Bolschoi Orchester als Lückenfüller für ein Konzert nach Paris eingeladen wird. Kurzerhand beschliesst er sein altes Ensemble wiederzuvereinigen um mit diesem anstelle des Bolschoi im grossen Théâtre du Châtelet auftreten zu können. Doch im wilden Chaos mit den absurden Organisationsmethoden und den etwas eingerosteten Genossen droht der Schwindel aufzufliegen. Stars: Mit von Partie ist Mélanie Laurent, die zuletzt als Kinobesitzerin in «Inglorious Bastards» (2009) überzeugte und nun auch noch mit ihrem Geigenspiel verzaubert. Der russische Schauspieler Alexeï Guskov verleiht der Figur des passionierten Dirigenten eine ergreifende Tiefe. Regie & Crew: Dass «Le Concert» ein persönlicher Film ist, sieht man anhand der Biographie des Regisseurs Radu Mihaileanu («Train de Vie», 1997), der selbst aufgrund seiner jüdischer Herkunft 1980 vor der rumänischen Diktatur fliehen musste. «Le Concert» wurde in Frankreich mit zwei Césars für Musik und Ton ausgezeichnet.
art-tv-Wertung: Mit viel Selbstironie und Leichtfüssigkeit erzählt Radu Milhaileanu die aberwitzige Reise des einst berühmten Dirigenten nach Paris, die allmählich in eine persönliche Reise in die Vergangenheit mündet. Mit unverhohlenem Charme jagt schamlos ein raues Klischee das andere und bestimmt den grotesken Humor des Films. Milaileanu öffnet sichtbar die Kluft zwischen zwei unterschiedlichen Welten, indem er sie aufeinanderprallen lässt. So besteht das frisch zusammengetrommelte Orchester aus sozialen Randständigen, wobei auch mal die Wäsche auf der Bühne gebügelt oder Reisepässe im Do-It-Yourself-Stil auf dem Flughafen angefertigt werden. Daneben kontrastiert die moderne kapitalistische Gesellschaft im Anzug. Damit flankiert der Regisseur kritisch die kulturelle Lage, in der Geld und gesellschaftlicher Einfluss die eigentliche Kunst zu entmachten drohen. Weiter versteht er es auf humoristische Weise dem totalitären System der Sowjetunion und der kommunistischen Partei portionsweise Seitenhiebe zu verpassen. Das Grande Finale wird mit Tschaikowskys «Konzert für Violine und Orchester» zelebriert und auch hier geschieht nichts zufällig. Die Komposition steht für das Zusammenwirken von Individuum und Gemeinschaft, das nur im harmonischen Einklang funktioniert. Ein gefühlvoller Abschluss visuell durchzogen mit Rückblenden von schmerzlichem Vergangenem und Überraschendem sei garantiert. Fazit: Chaotisch-schräge Komik vereint mit wunderschönem Gefühlskino: «Le Concert» glänzt auf allen Ebenen und mit einer tiefgründigen Botschaft.
Martina Felber