Kino | Séraphine
Martin Provost gelingt ein überzeugendes filmisches Porträt der Künstlerin Séraphine Louis.
Synopsis: 1912 zieht der deutsche Kunstsammler Wilhelm Uhde (Ulrich Tukur) in das französische Städtchen Senlis, um sich dem Schreiben zu widmen und sich vom hektischen Leben in Paris zu erholen. Als Haushälterin stellt er die widerborstige und unscheinbare Séraphine (Yolande Moreau) ein. Eines Tages entdeckt er bei Nachbarn ein kleines auf Holz gemaltes Bild, das ihn sogleich fasziniert. Zu seiner grossen Überraschung stellt sich heraus, dass das Bild von Séraphine gemalt worden ist. Von den unkonventionellen Werken begeistert, beschliesst der Kunstkenner Uhde, der als Entdecker von Picasso und Rousseau gilt, die eigenwillige und von ihren Mitmenschen belächelte Séraphine zu fördern. Stars: Die französische Schauspielerin Yolande Moreau erhielt für ihre zu recht gefeierte Interpretation der Séraphine den César für die Beste Hauptdarstellerin. Der Deutsche Ulrich Tukur wurde zuletzt für seine Rolle in dem oscarprämierten «John Rabe» (2009) gefeiert. Regie & Crew: Mit Séraphine gewann der französische Regisseur und Drehbuchautor Martin Provost in Frankreich 2009 sieben César – darunter diejenigen für die Beste Regie, das Beste Drehbuch sowie den Besten Film.
art-tv-Wertung: Martin Provost gelingt ein überzeugendes filmisches Porträt der Künstlerin Séraphine Louis. Hauptquelle des Filmes war die Psychoanalytikerin Francoise Cloarec, die über Séraphine einen Aufsatz geschrieben hat, und mit Anne-Marie Uhde (der Schwester von Wilhelm Uhde) bekannt war, von der sie Briefe und viele andere Dokumente erhalten hat. Dass Yolande Moreau schon bei der Drehbuchentwicklung involviert war, mag mitunter ein Grund dafür sein, wie grandios authentisch es ihr gelungen ist, die Rolle der Séraphine zu verkörpern.
Der Film offenbart die quasi-mystische Dimension von Seraphines künstlerischer Arbeit und macht ihr persönliches, spontanes und nicht-akademisches Gespür für die „naive“ Malerei zugänglich. Dabei weicht Provost auch den Schattenseiten dieser Figur nicht aus, die sich ihrem Lebensmut zum trotz später in den Wahnsinn flüchtet. Ohne bei dieser Darstellung aber in Gefühligkeit und Hysterie zu verfallen, gelingt es Provost und Moreau, dem anspruchsvollen Werdegang dieser besondern Frau treu zu bleiben. Ebenso wird auch Wilhelm Uhde nicht nur die simple Schablone eines treuen Mäzens zugeteilt. Auch er hat dunkle Seiten, für die uns der Film zum Glück keine Erklärung aufdrückt, der Zuschauer soll sich seine eigenen Gedanken machen. All dies geht wunderbar einher mit einer passenden Inszenierung, die wenig auf Effekte setzt. Auch die Kamera kommt den Schauspielern nicht zu nahe, und es gibt keine unnötigen Schnitte, auch wenn der Film mit 125 Minuten etwas zu lang ist. Fazit: Mit der nötigen Liebe zum Detail offenbart «Seraphine» eindrücklich das Leben und Werk einer Frau, die für die eigene künstlerische Entfaltung und Freiheit lebte.
Isabel Bures