Kino | Teza
«Teza» zeichnet anhand eines Einzelschicksals ein schillerndes Portrait Äthiopiens als geschundenes und zwischen Tradition, Idealismus und Ideologie zerrissenes Land.
Synopsis: 1990 kehrt Anberber aus Deutschland in sein kleines Heimatdorf in Äthiopien zurück. Doch die Rückkehr des ausgebildeten Arztes führt schon bald zu familiären und gesellschaftlichen Spannungen zwischen seinem eifersüchtigen Bruder, seiner betagten Mutter und deren ebenso scheuen wie mysteriösen Gehilfin Azanu. Hinzu kommt, dass Armee und Rebellen die lokale Bevölkerung indoktrinieren und junge Männer zwangsrekrutieren. Nicht nur weil er ein Bein verloren hat, bleibt Anberber trotz des Aufruhrs lange gelähmt. Denn auch seelisch hat der Intellektuelle Verletzungen davongetragen. Traumähnliche Sequenzen und Rückblenden erschliessen Stück für Stück die schmerzhafte Vergangenheit eines gebrochenen Mannes. Stars: Aaron Arefe spielt den jungen Idealisten genauso überzeugend wie den gebrochenen Mann. Die eigentlichen Stars des Films sind jedoch Anberbers Mutter sowie die unzähligen äthiopischen Nebendarsteller. Regie: Der gebürtige Äthiopier Haile Gerima wanderte 1968 in die USA aus und studierte dort Film. Seit 1975 ist er Honorarprofessor an der Howard University in Washington. Als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent zeichnete er für «Sankofa» (1993) verantwortlich, der im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde.
art-tv-Wertung: Regisseur Haile Gerima verknüpft in «Teza» gekonnt ein Einzelschicksal mit dem übergeordneten politischen, gesellschaftlichen und historischen Kontext Äthiopiens. Anberbers Lebensgeschichte ist untrennbar mit diesem Land und seinen politischen Verfolgungen, Revolutionen und Kriegen verbunden. Vielleicht wirken die in Deutschland spielenden Szenen gerade deshalb etwas aufgesetzt. Die verschiedenen Erzählebenen sind eng ineinander verwoben und verschmelzen zu einer dichten Mischung, in der die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart verwischen. Filmisch setzt Gerima das äusserst gekonnt um. Zwischen Symbolismus und Verspieltheit hin- und herspringende Einstellungen sowie eine Tonspur voller Geräusche und Gesang, machen aus dem zurückgeworfenen Äthiopien einen magischen Ort. Besonders gelungen ist die nicht-lineare Erzähltechnik, bei der sich Zusammenhänge durch Rückblenden erst nach und nach erschliessen. Dadurch wird der Zuschauer Stück für Stück in diese faszinierende fremde Welt hineingezogen. Fazit: «Teza» ist ein grossartiger Film über ein geschundenes und zerrissenes Land, der bestens unterhält und berührt, ohne zu bedrücken.
Philipp Eberhard