Kino | The American
George Clooney gibt in dem unaufgeregt erzählten, ästhetisch anspruchsvollen Psychodrama einen einsamen Profikiller, der die Ambivalenzen zwischenmenschlicher Beziehungen erfährt.
Synopsis: Jack (George Clooney) ist ein amerikanischer Berufskiller. Als ein Auftrag in der schwedischen Einöde gründlich schief läuft, fasst er den Entschluss, den Job beziehungsweise das Scharfschützengewehr nach der nächsten Mission an den Nagel zu hängen. Er flieht in ein italienisches Bergdorf, wo er ein letztes Mal noch die Vorbereitungen für einen Auftragsmord treffen soll – nicht einmal schießen muss er. Als Fotograf getarnt versucht er, möglichst wenig Aufmerksamkeit bei der Dorfbevölkerung zu erregen. Doch der Pfarrer Benedetto (Paolo Bonacelli) interessiert sich für den Fremden und beäugt ihn skeptisch. Als schließlich noch die verführerische Prostituierte Clara (Violante Placido) auftaucht und mit ihm ein Verhältnis anfängt, beginnt Jack über sein Leben nachzudenken. Stars: Wie bereits in «Up in the air» (2009) und «Oceans 11» (2001) spielt George Clooney seine Paraderolle: den eiskalten, emotional verwahrlosten Mörder und romantischen Verführer zugleich. Es gelingt ihm wunderbar, charismatisch wie gewohnt, den seelischen Erfahrungsprozess eines von außen hart scheinenden Kerls nachzuvollziehen. Regie & Crew: Schon mit «Closer» (2004), der grandiosen Hommage an den Joy Division Sänger Ian Curtis, gelang dem niederländischen Fotografen und Musikvideo-Regisseur Anton Corbijn ein schwermütiges Meisterwerk. Mit «The American» schafft er eine weitere von melancholischer Bildsprache geprägte Charakterstudie.
art-tv-Wertung: «The American» ist weder Hollywood noch Arthouse, weder oberflächlich noch intellektuell. Es ist die Form die ihn bestimmt, ein Sieg der Ästhetik. Einen klassischen Profimörder-Thriller darf man nicht erwarten. Corbijns Film ist vielmehr eine Studie über die undurchdringliche Hauptfigur, ein Psychogramm eines von Unsicherheit geprägten Jägers und Gejagten. Unaufdringlich und ruhig entwickelt der Plot eine atmosphärische Tiefe, die wohl einige Mainstream-Kinogänger verstören könnte. Die emotionale Zerrissenheit der Charaktere und ihre Suche nach Sinn und Glück werden von einer förmlichen Bildsprache veranschaulicht, die der psychologisch-ästhetischen Grundstruktur des Films ebenso gerecht wird wie die sie untermalende Musik. Die Protagonisten in «The American» sind auch innerhalb des Films nur Protagonisten einer sie umgebenden, fragilen Welt voller Beklommenheit und Zweifel. Eindrucksvoll versteht es der Film, die psychische Verfasstheit derjenigen zu erfassen, die sich dieser Welt nicht entziehen können. Es geht um die verzweifelte Zergliederung der eigenen Persönlichkeit und den Versuch, Fragmente davon zu retten. Um die Erkenntnis, dass es nicht die rationale Verdinglichung des eigenen Seins ist, die Erlösung verschafft, sondern die oftmals qualvolle Hingabe an Affekte und Innerlichkeit. Letztlich: um die Liebe. Fazit: Anspruchsvollen Filmfreunden sei «The American» als ästhetische Psycho-Studie sehr ans Herz gelegt.
Maximilian Haase