Spielfilm | Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm
Wenn Brecht dem Haifisch die Zähne zieht …
Wer kennt die Songs nicht vom «Haifisch», der Zähne hat, von der «Seeräuber-Jenny» oder den Soldaten, «die auf den Kanonen wohnen»? Sie wurden in Berlin Ende der Zwanzigerjahre und später weltweit Gassenhauer. Joachim A. Langs Brecht-Hommage ist grosses intellektuelles Schauvergnügen und Hörgenuss
Techtelmechtel
Und da steht der Mann mit der Drehorgel (Max Raabe) und singt die Moritat vom schlimmen Frauenverführer und Mörder Mackie Messer (Tobias Moretti). Wir sind mittendrin in den Proben zur Uraufführung der «Dreigroschenoper» im Sommer 1928. Es gibt Techtelmechtel zwischen den Schauspielern und Autor Bertolt Brecht (Lars Eidinger). Sie murren, begehren auf gegen das Neue, gegen diese ganz andere «Oper». Brecht, sein Komponist Kurt Weill (Robert Stadlober) und engste Vertraute Elisabeth Hauptmann (Peri Baumeister) setzen sich durch und «Die Dreigroschenoper» wird in Berlin ein Schlager und Welterfolg.
Künstlerische Freiheit
Heute eine Selbstverständlichkeit, damals ein Neuansatz: Warum einen Bühnenerfolg nicht ins Kino bringen! Brecht stimmte einer Verfilmung 1930 zu, er sollte das Drehbuch verfassen. Doch entgegen den Absichten des Produzenten Seymour Nebenzahl (Godehard Giese) von der Nero-Film AG beabsichtigt Brecht nicht, die Aufführung quasi abzufilmen, sondern das Stück zu verändern, zu erweitern. «Es wäre Unfug, Elemente eines Theaterstücks wenig verändert zu verfilmen», ist seine Meinung. Er will die Moritat von Mackie, dem Bettlerkönig Peachum, Polly und Seeräuber-Jenny nach London, ins Milieu von Soho, verpflanzen, die Story radikalisieren und den Schluss ändern. Die Produktionsfirma weigert sich, Brecht steigt aus und strebt einen Prozess um künstlerische Freiheit an. Er macht Richter, Anwälte, Journalisten zu «Mitspielern», inszeniert quasi «Wirklichkeit», nennt es ein «soziologisches Experiment». Er verliert und gewinnt zugleich. Der Film wird gedreht und 1931 aufgeführt (Regie: Georg Wilhelm Pabst) – ohne Brechts Mitarbeit und Segen.
Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?
Wer sich ein bisschen mit dem Stoff, Brecht, seinem Werk und seiner Arbeit auskennt, findet im Film vom Brechtkenner Joachim A. Lang ein Füllhorn von Geschichten um Brecht und «die Dreigroschenoper», von Anspielungen und Verstrickungen. Langs üppiger Kinofilm agiert auf verschiedenen Ebenen oder Wirklichkeitsschienen. Da ist die Bühnenproduktion, die Inszenierung, die Schauspieler, der Riesenerfolg in Berlin, dann die Werk- und Prozessebene mit Brecht und seinen Mitarbeitern, schliesslich die Brechtschen Visionen des «Dreigroschenoper»-Finals. Da marschieren Peachum (Joachim Król), seine Bettlerbande und Polizeichef Tiger Brown (Christian Redl) im Gleichschritt in eine «blühende Zukunft» – als Banker. Da fällt auch das böse Wort: «Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?»
Grandioser Lars Eidinger
Das Ensemble in diesem monumentalen Filmtheater über 130 Minuten ist exzellent wie kolossal – Lars Eidinger als Mann mit Zigarre und Ledermantel, Brecht, und Tobias Moretti als Macheath über Hannah Herzsprung als Polly und Schauspielerin Carola Neher sowie Claudia Michelsen als eiskalte Peachum-Gattin bis zu Britta Hammelstein als Lotte Lenya, Ehefrau Weills, und Seeräuber-Jenny, Meike Droste als Brecht-Gefährtin Helene Weigel und Joachim Król als gewieftem Bettler-Geschäftsmann Peachum.
Warum man sich den Film anschauen sollte
Lang hat mit seinen vielschichtigen Spielfilm ganz an Brecht ausgerichtet. Der dominiert, da werden andere zu Nebenfiguren und Staffage. Gleichwohl ist Langs Hommage an Brecht ein- und weitsichtig, weist auf die düstere faschistische Zukunft und den modernen Finanzkapitalismus hin. Vor allem aber zelebriert der Regisseur geradezu die Brechtsche Technik der Verfremdung. Das macht es der Zuschauer*in nicht leicht, die verschiedenen Rollen, theatralischen, visionären und realen Ebenen zu durchschauen. Alleweil aber ein grosses intellektuelles Schauvergnügen und Hörgenuss.
Quelle des Artikels: Rolf Breiner, Textatur Filmkritik