The Brain – Cinq Nouvelles du Cerveau
Ist es möglich, das menschliche Gehirn mit Computern nachzubilden?
Seinen Film über Polittycon Christoph Blocher bezeichnete er als ‹Vampir-Film›. Nun bringt uns der Welschschweizer Regisseur Jean-Stéphane Bron, bereits drei Mal mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet, in Berührung mit fünf Szenarien, die sich mit dem menschlichen Gehirn auseinandersetzten. Eine anspruchsvolle und denkwürdige Einladung. arttv Filmjournalist Rolf Breiner hat sich darauf eingelassen.
arttv Rezension: Mensch und Maschine – eine Gratwanderung
Eine Reise ins Innere, nicht zum Mittelpunkt der Erde, sondern ins Hirn. Dokumentarfilmer Jean-Stéphane Bron («Mais im Bundeshuus») offenbart fünf neue Annäherungs- und Entwicklungsversuche, An- oder Einsichten über Hirn und künstliche Intelligenz. Alles dreht sich ums Hirn oder auch Gehirn (lateinisch Cerebrum), dem Steuerungszentrum unseres Nervensystems. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen beträgt die Länge aller Nervenbahnen eines Erwachsenen rund 5,8 Millionen Kilometer, das entspricht laut Wikipedia dem 145-fachen Erdumfang. Doch davon ist in Brons Forschungsreise weniger die Rede. Hier bekommt man Einblicke in Ideen, Projekte, Forschungsarbeiten. Der Regisseur beobachtet und beschreibt fünf Szenarien, fünf Modelle, auch Ansichten und Haltungen. Dabei geht es Jean-Stéphane Bron um das Spannungsfeld von Natur und Künstlichkeit und meint: «Die Idee war, vom berechnenden Gehirn, das sich auf die Mathematik konzentriert, zur Hand, zur Geste zu gelangen, mit der Vorstellung, dass es keinen Gedanken ohne Handlung, oder keine Handlung ohne Gedanken gibt.» Sein denkwürdiger, höchst anspruchsvoller Film lotet die Spannbreite zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, Mensch und Maschine aus. Das ist nicht nur spannend zu sehen und zu erleben, sondern auch befremdlich und doch sehr wirklichkeitsnah, erschreckend und faszinierend. Wir bedienen uns diverser Maschinen (Techniken), fürchten aber auch, dass sie uns eines Tages überlegen sein und beherrschen könnten – so wie es Stanley Kubrick bereits 1968 meisterhaft in seiner Filmversion «2001: Odyssee im Weltraum» beschrieben hat. Rolf Breiner
Zum Film: Fünf Szenarien – Sechs Wissenschaftler*innen
«The Brain – Cinq Nouvelles du Cerveau» porträtiert fünf Personen, die zum Kern aktuellster wissenschaftlicher Fragen vordringen. Fünf Blickwinkel, die eine faszinierende und zugleich beunruhigende Zukunft skizzieren. Der Film beginnt mit einem Austausch zwischen einem Vater und seinem Sohn. Der Vater, Alexandre Pouget, ist der Überzeugung, die Intelligenz und das Bewusstsein könnten künstlich nachgebildet werden. Ihm gegenüber steht sein Sohn Hadrien Pouget, der sich in Oxford als junger Forscher mit künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt und die Auswirkungen eines solchen Projekts fürchtet. In Seattle versucht Christof Koch, das Geheimnis des Bewusstseins zu lüften, während sein Hund im Sterben liegt. In München und Venedig tritt Niels Birbaumer mittels Gehirn-Computer-Interaktionen in Kontakt mit dem Bewusstsein vollständig gelähmter Patient*innen, die am Locked-in-Syndrom leiden. In Genf träumt der junge Forscher und werdende Vater David Rudrauf davon, Maschinen durch die Entwicklung eines künstlichen Bewusstseins Leben einzuhauchen. Ganz in der Nähe, am Ufer des Genfersees, versucht die Robotik-Ingenieurin Aude Billard, eine menschliche Hand nachzubilden. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen…
Weiter Stimmen
«The Brain – cinq nouvelles du cerveau» von Jean-Stéphane Bron ist eine schlüssige, unterhaltsame und extrem lehrreiche Reise durch den vermittelbaren Teil der aktuellen Gehirnforschung. Mit erschreckenden Ideen neben zutiefst menschlichen Bemühungen, etwa den Versuchen von Niels Birbaumer, vollständig gelähmten Menschen mit dem sogenannten Locked-In-Syndrom über Gehirn-Computer-Interaktionen die Kommunikation wieder zu ermöglichen.» Michael Sennhauser, Sennhausers Filmblog