Buchtipp | Lee Gustavo von Sandra Hughes
Eine Schweizer Autorin legt einen Erstlingsroman vor – wie von Zauberhand geschrieben. Ein Abenteuerroman mit einem zeitlos modernen Helden.
An den 29. Solothurner Literaturtagen sprach Sandra Hughes mit art-tv über ihren Roman Lee Gustavo. Die Autorin liess sich beim Schreiben von ihrer Phantasie tragen und kombinierte dabei teils bewusst teils intuitiv zentrale Elemente der Weltliteratur mit pseudo-kulturwissenschaftlichen Elementen. Die Mischung ist überaus gelungen und das Buch ist spannend, nicht nur, weil es mit Hilfe von Rückblenden und Brieferzählungen geschickt konstruiert ist, sondern weil es sehr unterschiedliche Schauplätze wählt und aus der Hauptfigur so ein kleines episches Sammelbecken macht.
Lee Gustavo ist ein Mensch, der die Verdammung des eigenen Vaters ein Leben lang in sich trägt, bis er über dessen Abschiedsbrief an die Mutter erfährt, was die Ursache dieser Verdammung ist. Die gesamte Geschichte ist aus dem Krankenbett heraus erzählt, wo Lee sich von einem Unfall im Fussballstadion erholt. Dort wurde Lee von einem unbekannten Flugobjekt am Kopf getroffen. Lee reakpituliert sein introvertiertes und gleichzeitig bewegtes Leben: da ist der frühe Selbstmord des Vaters, da ist der diabolische Onkel Moses, der nicht nur das Leben seines eigenen Bruders verpfuscht, sondern auch Lee hinter Gitter bringt, da sind Lees Erlebnisse als Assistent eines Fäkalforschers und nicht zuletzt, die verschiedenen Berufe des Helden, die von Erpressung, über Gefängnisarbeit, Putzarbeit, Schrottsammeln bis hin zum Tätowieren reichen. Dieser kleine Abeteureroman funktioniert nur deshalb so hervorragend, weil die Autorin es verstanden hat, dem ganzen noch eine mythisch-surreale Note zu verpassen, indem sie die Vergangenheit von Lees Vater in der afrobrasilianischen Mythologie verankert. Die Geschichte wird dadurch einer strengen Logik enthoben und gewinnt zusätzlich an Kraft. Bleibt zu hoffen, dass Sandra Hughes auch in ihrem nächsten Roman diese schwierige, glückliche Mischung gelingt.