Kulturjournalismus zwischen Masse und Klasse
Auf Einladung der Mediengewerkschaft haben am 21. Juni vier Vertreter des Deutschschweizer Kulturjournalismus über die Tendenz der Boulevardisierung diskutiert.
Feuilleton und Kulturjournalismus sind einem tief greifenden Wandel unterworfen. Neu herrscht der Zwang zum Event, zur Personalisierung, Skandalisierung und Regionalisierung. Bedeutet dies das Ende des Kulturjournalismus, wie wir ihn kennen? Oder rettet es ihn vor dem Verschwinden? Welche Chancen hat seriöser Kulturjournalismus heute?
Unter Leitung von Stefan Keller (WOZ) haben Regula Bochsler (SF, Redaktionsleiterin Kultur Aktuell), Lilith Frey (Blick, Ressortleiterin Kultur), Peter Hartmeier (Tages-Anzeiger, Chefredaktor) und Uwe Justus Wenzel (NZZ, Feuilletonredaktor) über diese Frage diskutiert.
Das Fazit der Diskussion:
Die Feuilletonisten und Kulturchefs wissen zwar sehr wohl, dass die traditionelle Kulturberichterstattung so nicht weiter geführt werden kann. Ein patentes Rezept, wie man die neuen Tendenzen in den Medien steuern könnte, hat keiner. Es ist ein Fakt, dass die Medienkonsumenten sich heute anders informieren: das Internet und neue Medien spielen immer eine grössere Rolle. Es gibt diverse neue Kulturportale und eine nicht abnehmende Flut von kulturellen Events, die alle ihre Aufmerksamkeit einfordern. Die Menschen nehmen sich immer weniger Zeit, sich ausführlich über Kultur zu informieren, sondern orientieren sich an dem, was sie wissen wollen. Sie picken sich sozusagen die Rosinen aus dem grossen Kuchen und lassen das restliche Angebot links liegen.
Das Fernsehen hat darauf reagiert, indem es sein Kulturangebot in die Randstunden verbannt und vermehrt auf die Verbreitung seiner Produkte im Internet setzt.
Das altehrwürdige Feuilleton der NZZ trotzt allen Tendenzen und versucht, seinem immer älter und kleiner werdenden Leserkreis gewohnte Schwerkost zu bieten.
Der Blick ist in dieser Diskussion eigentlich ein Aussenseiter, denn er behandelt Kultur viel traditioneller als alle anderen Medien und versucht Boulevard und hochstehende Kultur gar nicht zu vermischen. Sein Angebot ist am meisten gefährdet.
Der Tages-Anzeiger als grosses, aufgeschlossenes Lokalblatt ist am ehesten bereit, neue Wege zu gehen. Er reduziert sein Angebot auf wenige gute Berichte und lagert die U-Kultur (die sogenannte Unterhaltungskultur) aus in andere Gefässe, wie zum Beispiel das Gratisblatt 20Minuten, das mit einem neuen Internetauftritt neue Wege gehen soll.