Auf Initiative des Schweizerischen Verbandes der Filmjournalist:innen (SVFJ) diskutierten am Filmfestival Locarno drei Kinobetreiberinnen, ein Filmjournalist, ein Vertreter einer Streamingplattform und der Chef der Schweizer Filmförderung Ivo Kummer über die Entwicklungen in der Kinolandschaft. Es gehe nicht um Antworten, sondern um Fragen, meinte einleitend Festivaldirektor Giona A. Nazzaro. Warum eigentlich?
Das Kino ist tot – Es lebe das Kino! Hat das Kino als Kulturort eine Zukunft?
- Publiziert am 11. August 2022
Lauter Fragen – Keine Antworten?
Er konnte nicht lange bleiben. Festivaldirektor Giona A. Nazzaro musste weiter, liess es sich aber nicht nehmen, ein paar einleitende Worte zum Panel, das von der Kulturjournalistin Monika Schärer in gewohnt souveräner Manier moderiert wurde, ans Publikum zu richten. Er wisse keine Antwort auf die Frage, wie es mit dem Kino als Kulturort weiter gehen soll. Darum gehe es auch nicht, sondern es gehe darum, Fragen zu generieren, aus denen sich dann wiederum weitere Fragen herauskristallisieren. Ein ziemlich entmutigender Auftakt. Glücklicherweise blieben insbesondere die drei Kinobetreiberinnen Edna Epelbaum, die auch Präsidentin des Schweizer Kinoverbandes ist, Jenny Billeter und Daniela Küttel weniger vage. Für die drei ist klar, will man Kinos als Kulturort erhalten, müssen diese auch finanziell unterstützt werden. Die Forderung nach Geld war aber nicht ihr erstes Anliegen. Es gehe auch um neue Formate und eine bessere Zusammenarbeit. Kein Groll hegen sie gegen die Streamingplattformen. Auch Fabian Stein, Head von Sky Switzerland, betonte, dass wenn ein Film zuerst im Kino gezeigt wird, dies den Streamingdiensten nützt. Christoph Schelb, Redaktionsleiter der Kinoplattform outnow.ch konnte dieser Einschätzung nur zustimmen.
Und doch geht es um Geld
Bei aller Harmonie, am Ende geht es jedoch trotzdem ums Geld. Ivo Kummer, Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, gestand zwar ein, dass man bis zu einer halben Million der zusätzlichen Gelder, die neu nach dem Ja der Schweizer Bevölkerung zur «Netflixvorlage» bereitstehen, für die Filmvermittlung und damit auch für die Kinos verwenden dürfe. Allerdings liess er keinen Zweifel daran, dass er als Hüter der Produktion nicht bereit ist, allzu viel vom Kuchen an die anderen Player abzugeben. Dabei wäre das genau die Lösung. Die ganze Entstehungs- und Verwertungskette eines Schweizer Filmes sollte künftig bei einer Projektvergabe viel besser als bisher mitgedacht werden. Das BAK kann das nicht alleine machen, könnte aber die Koordination aller Player übernehmen. Denn warum sollen insbesondere Städte die Infrastruktur eines Kinos nicht genauso subventionieren wie das bei einem Theater, einer Oper oder einer Musikhalle der Fall ist. Und was nützet es, viel Geld für die Produktion eines Filmes auszugeben, wenn das Publikum diesen nie zu sehen bekommt? Der Kampf um Aufmerksamkeit – vor allem seit dem digitalen Overflow von Tönen und Bildern sowie der Existenz der Sozialen Medien – ist gewaltig. Darum muss künftig wesentlich mehr Geld in die Vermittlung und ins Marketing fliessen. Etablierte Filmverleiher und Kinos müssen für ihre kuratorische Arbeit in Zukunft besser belohnt werden, denn ihre Leistung für das Publikum ist enorm. Ivo Kummer betonte zwar, das BAK Film sei kein Bancomat. Und ja, es stimmt, der Kuchen, von dem alle ein Stück abbekommen wollen, ist nicht wirklich viel grösser geworden. Von daher, vielleicht sollten doch weniger Schweizer Filme produziert werden, dafür aber richtig: Von A wie Anfang bis Z wie Zuschauer:in.
Felix Schenker, arttv.ch