Drei Teile Dürrenmatt
- Publiziert am 15. Dezember 2021
Judith Zwicks herausragender, dreiteiliger Podcast zum 100. Geburtstag des Schweizer Schriftstellers
Ganz coronakonform hat sich die Autorin immer wieder zurückgezogen, es sich in einem alten Ohrensessel gemütlich gemacht, dazu die obligatorische Stehlampe – als zweites Element der Inszenierung – angeknipst und eine literarische Zimmerreise unternommen. Entstanden ist eine Hörreise in drei Teilen, die das Leben Dürrenmatts auf einfühlende Weise erlebbar macht.
Friedrich Dürrenmatt liefert in seinen Werken tausendfach Bonmots, kluge Gedanken, bringt Überlegungen auf den Punkt. Judith Zwicks liebstes Zitat des Autors, weil es auf unsere aktuelle gesellschaftliche Situation so unglaublich gut passe, ist folgendes:
«ES GIBT KEINE HUMANITÄT OHNE HUMOR»
Schreiben oder malen
Judith Zwicks Route führte sie zunächst durch die Werkausgabe von Friedrich Dürrenmatt. «Das sind tatsächlich ganze 37 Bände. Dürrenmatt hat ja unfassbar viel geschrieben und ein ziemlich vielschichtiges Werk hinterlassen.» Tragikomödien, Erzählungen, die berühmten Kriminalromane, Essays, Reden, Gedichte, die «Stoffe», eine besondere Art von Autobiographie, vier Bände voller Gespräche. Dazu existiert ein reichhaltiges bildkünstlerisches Werk. Denn: Malen oder schreiben, diese berufliche Entscheidung galt es zunächst zu treffen. Und sie fiel dem jungen Dürrenmatt schwer. «Sehr, sehr schwer» schreibt er an den Vater. «Eines von beiden muss ich werden, eines von beiden muss ich fallen lassen.»
Ausschliesslich lesend
Ausschliesslich lesend hat Judith Zwick Ihre Reise- bzw. Lektüreeindrücke aufbereitet und im Studio daraus einen dreiteiligen Podcast produziert. «Dieser Podcast wäre natürlich nicht möglich gewesen, ohne die Lektüre von zusätzlich wissenschaftlicher Literatur. Unter normalen Umständen hätte ich dafür Interviews mit Expert*innen geführt. Als aber Corona im Frühjahr alles erschwerte, habe ich mich entschlossen, meine Reise ausschliesslich lesend zu unternehmen.» Wichtige Quellen für den Podcast waren allen voran die beiden Dürrenmatt-Biografien von Ulrich Weber und Peter Rüedi, der Film «Portrait eines Planeten» von Charlotte Kerr sowie die Ringvorlesung «Dürrenmatt von A bis Z» des Schweizerischen Literaturarchivs.
Unbedingtes Erkenntnisinteresse
«Ein tolle Entdeckung waren für mich zudem die Gespräche Dürrenmatts. Er hat ja wahnsinnig gerne erzählt und wurde zu seinen Lebzeiten – als lebender Mythos gewissermassen – unglaublich häufig interviewt. Diese Gespräche liegen in einer vierbändigen Ausgabe vor und verraten einem viel über das Denken und Arbeiten des Autors. Ich fand beeindruckend, wie ernsthaft Dürrenmatt die Fragen immer wieder beantwortet hat, wie er beim Reden denkt und seine Gedanken entwickelt, sich und die Welt immer wieder infrage stellt. Sein unbedingtes Erkenntnisinteresse, das vor keiner Fachdisziplin Halt macht und dazu sein Humor, das ist es, was ich so grossartig finde. Seine Lust, spielerisch das Grosse und Ganze zu denken.»