Textilmuseum St.Gallen | Fabrikanten & Manipulanten
- Publiziert am 29. März 2021
Was fabrizieren mit manipulieren zu tun hat: Die Geschichte der Ostschweizer Textilwirtschaft und ihren Protagonist*innen.
Die Ausstellung «Fabrikanten & Manipulanten» beschäftigt sich mit der Rolle der Arbeiter*innen, Entwerfer*innen, Erfinder*innen, Unternehmer*innen und eben auch Manipulant*innen in der Ostschweizer Textilproduktion. Ihre wechselvolle, oft auch schwierige Geschichte illustrieren Stickereien und Stoffe vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, ergänzt durch Maschinen, Fotografien, Archivmaterial und Medien. Eine Galerie von Kleidern vom Biedermeier bis heute bildet den Schluss der Ausstellung.
«Die Stickereien – vor allem die berühmte ‹St. Galler Spitze› – wirken bis heute unglaublich luxuriös», meint Michaela Reichel, Direktorin des Textilmuseums St. Gallen. Zu leicht vergisst man, in welchen Mengen hier seit dem Mittelalter hochprofessionell und arbeitsteilig Textilien produziert und exportiert wurden. Der Erfolg der Ostschweizer Textilindustrie ist dem reibungslosen Zusammenspiel der an der Herstellung beteiligten Menschen zu verdanken.
Innovations- und Arbeitskraft
Jeder Gruppe kommt bei der Produktion von Textilien eine genau definierte Rolle zu: Die Unternehmer*innen stellen die Produktionsmittel bereit, entscheiden über die strategische Ausrichtung und sind für Vermarktung und Verkauf der Textilien zuständig. Die Entwerfenden und ihre Dessins tragen entscheidend zur Konkurrenzfähigkeit und dem Verkaufserfolg der Produkte bei, die sich auf dem schnelllebigen und launischen Markt der Mode behaupten müssen. Die Findigkeit und Innovationskraft der Handwerker*innen, Tüftler*innen und Ingenieur*innen, die ständig neue Maschinen und Verfahren entwickeln, schaffen die Voraussetzung für die maschinelle Produktion der eleganten Stickereien. Letztendlich sind es jedoch die Heerscharen namenloser Arbeiter*innen in den Fabriken oder in Heimarbeit, die die begehrten St. Galler Stickereien in grossen Mengen produzieren.
Die Entwicklung der Textilindustrie bis ins 21. Jahrhundert
Im Laufe der Jahrhunderte sieht die Branche wiederholt mit Herausforderungen in Form von sozialen und politischen Umwälzungen, Wirtschaftsflauten oder internationalen Konflikten konfrontiert. Auf Dauer behaupten kann sich nur, wer angemessen auf die Anforderungen des Markts reagiert und geeignete Strategien zur Überwindung der Krisen entwickelt. Das Verhältnis der am Produktionsprozess beteiligten Gruppierungen gestaltet sich nicht immer konfliktfrei. Die Zusammenarbeit unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel und ist lange Zeit von Ungleichheit und Abhängigkeiten gekennzeichnet. Absatzkrisen treffen die Arbeitenden, insbesondere die Heimarbeiter*innen, weit mehr als die wohlhabenden Unternehmer*innen. Trotz allem sichern das über Jahrhunderte etablierte System und seine Traditionen den Erfolg der Ostschweizer Textilindustrie bis auch hier die globalen Mechanismen des 20. und 21. Jahrhunderts greifen.
Taktiles Ausstellungskonzept
«Berühren erwünscht» gilt nun auch in dieser Ausstellung des Textilmuseums. Stoffproben und Stickereimuster dürfen in der Ausstellung nach Lust und Laune untersucht werden. Die ‹begreifbaren› Hands-On Objekte kommen besonders bei Kindern und Jugendlichen gut an. Aber auch Erwachsene können sich ihnen kaum entziehen.
Textgrundlage: Textilmuseum St.Gallen