8. Schweizer Theatertreffen
- Publiziert am 4. Mai 2021
Das 8. Schweizer Theatertreffen setzt auf klein, digital und mobil!
Seit 2014 findet jährlich Ende Mai eine Werkschau des Schweizer Theaterschaffens statt. 2021 gastiert das Schweizer Theatertreffen im Kanton Freiburg und wartet mit einem hybriden Programm auf: mit Veranstaltungen vor Ort, Online-Angeboten sowie einem Wandermobil.
Rahmenprogramm
7. Mai 2021
Kann Theater die Welt retten?
NACHHALTIG AUS DER KRISE
Klima Kick-Off – Ein digitaler Workshop zu Theater und Nachhaltigkeit
Ein Segen – oder doch ein Danaergeschenk?
TRANSFORMATION DURCH DIE KRISE
Transformationsprojekte in der Covid-19-Verordnung
Eine Podiumsdiskussion
8. Mai 2021
Lernen von Schweiz Tourismus?
THEATERLOBBY STÄRKEN IN UND NACH DER KRISE
Eine Podiumsdiskussion
Corona ist gerade nicht unser Hauptproblem!
THEATER IN KRISENREGIONEN
Ein internationales Podium, organisiert vom SWISS ITI
9. Mai 2021
SCHWEIZER GRAND PRIX THEATER / HANS-REINHART-RING 2020, JOSSI WIELER
Online-Anlass in Partnerschaft mit dem Bundesamt für Kultur (BAK) und in Kooperation mit der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK): Vernissage des MIMOS-Theaterjahrbuchs zum Träger des Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2020, Jossi Wieler, mit Ringübergabe.
Aus dem Programm
Verdeckt
So tief man auch gräbt, für immer verdeckt bleibt die letzte Wahrheit über Verena Lehner, die Bauersfrau, die Mutter, die Kartenlegerin, die Altenpflegerin – die angebliche «Giftmörderin von Suhr». Jedoch die poetisch-dokumentarische Suche, auf die sich das Theater Marie mit der Schweizer Autorin Ariane Koch begibt, kommt der Person Verena Lehner, oder dem, wofür sie aus heutiger Sicht stehen könnte, vielleicht näher als eine faktisch belegte Biografie. Klar ist: geboren wurde sie «1862 Jahre nachdem Maria das Jesuskind herauspresste». Geschwister hatte sie viele, Kinder noch mehr, und Geld ab einem gewissen Punkt zu viel für eine Frau ihres Standes. In einem spektakulären Prozess verurteilte man sie für zweifachen Mord mit Rattengift, sie bekam lebenslänglich. 14 Jahre Strafanstalt Lenzburg, anschliessend Verwahrung in der psychiatrischen Anstalt, wo sie dann 1945 starb. Beweise aber, dass sie wirklich eine Mörderin war, gab es keine und gibt es bis heute nicht. Die beiden Schauspielerinnen meistern den Hochseilakt, dieses schwere, aber historisch nicht untypische Schicksal aus moderner Sicht zu erzählen, zu performen, nachzufühlen und kritisch zu beäugen, so meisterhaft, dass trotz aller Schwere auch gelacht werden kann. Das sparsam eingesetzte Theremin-Spiel des Musikers, sowie eine spielerische, aber bestechend einfache Bühnenlösung unterstützen das Skizzenhafte des Abends, der in seinen Feststellungen immer einen Schritt vor und zwei zurück zu machen scheint. Besondere Erwähnung verdient die aus Not geborene Streaming-Variante des Abends. Mit grossem Gespür für den Wechsel von Bühne zu Screen verwandelten Team und Spielerinnen das Stück in eine lässige puristische Performance-Kurzversion für die Kamera.
Text: Ariane Koch | Regie: Olivier Keller | Produktion: Theater Marie | Koproduktion: Bühne Aarau, ThiK Theater im Kornhaus Baden
Versuch über das Sterben
In seinem entwaffnend persönlichen Text beschreibt Boris Nikitin den Tod seines Vaters oder besser, wie er seinen Vater auf diesem letzten Weg begleitet hat. Er schreibt über die Gespräche, die sie geführt haben und über die Hilflosigkeit, die er empfand, als sein Vater an einem bestimmten Punkt seiner Erkrankung aussprach, dass er seinem Leben mit EXIT ein Ende setzen möchte. Nikitin hat drei Jahre an diesem Stück geschrieben, entstanden ist eine schonungslose Beschäftigung mit sich selbst, an der er uns als Zuschauende teilnehmen lässt, und die uns aufgrund ihrer Intimität und Ehrlichkeit einlädt, wo nicht gar zwingt, genauso erbarmungslos auf uns selbst zu blicken. Dadurch wird das ganz Private gesellschaftlich und dieser Theaterabend politisch. Nikitin schreibt darüber, was es für ihn als Performer bedeutet, sein Privatestes auf der Bühne zu benutzen. Vor seinem «Versuch über das Sterben» hatte er durchaus mit den Biographien anderer Künstler*innen gearbeitet, jedoch nie explizit mit der eigenen. Er vergleicht diesen Akt der Selbstveröffentlichung mit dem (von ihm vor 20 Jahren vollzogenen) Akt, sich als schwuler Mann zu outen. Ist ein Outing vielleicht nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht, weil nur das Outing dem Gegenüber die Möglichkeit gibt zu sagen: «Genau so geht es mir auch»? In diesem Sinne stellt dieses Stück ein ‹Erstes Mal› dar und hat die Kraft eines unmittelbaren Geständnisses, eines performativen Aktes, eines Outings auf der Bühne.
Konzept, Text, Performance: Boris Nikitin | Schweizer Theaterpreis 2020 | Produktion: It’s The Real Thing Studios | Koproduktion: Kaserne Basel, Gessnerallee Zürich, Festival «Spielart» München, Festival FIT Lugano
Das Wandermobil
Theatertreffen nicht nur online, sondern auch auf Rädern: Im Wandermobil des Theatertreffens findet jedes der neun ausgewählten Stücke die ihm entsprechende Repräsentationsform. Die kleine, mobile Ausstellung kann jeweils von einer Person (oder einem Haushalt) besucht werden. Den Auftakt macht das Wandermobil in Fribourg, am Ende des Festivals geht es auf eine Tour durch die ganze Schweiz, mit Halt vor verschiedenen Partnertheatern.
Textgrundlage: Schweizer Theatertreffen