Ballett Zürich | Monteverdi
- Publiziert am 16. Januar 2022
Christian Spucks letzte abendfüllende Produktion am Zürcher Opernhaus
Bevor er nach Berlin weiterzieht, wollte Ballettdirektor Spuck der Melancholie der Musik von Monteverdi nachspüren. Das ist ihm nur teilweise gelungen. Sein Verdienst bleibt: Mit einer Art getanztem Musiktheater, in dem Ballett und Gesang auf der Bühne zusammentreffen, hat er seine eigene, eindrückliche Marke geschaffen.
Italienische Schlager
Für das Ballett «Winterreise» wurde Christian Spuck 2019 mit dem renommierten Prix Benois de la Danse ausgezeichnet. Wie jetzt bei «Monteverdi» vereinte er auf der Bühne Tanz und Gesang. In der neuen Produktion steht die Musik Claudio Monteverdis, des bedeutendsten italienischen Komponisten des frühen 17.Jahrhunderts, voll und ganz im Mittelpunkt.Der eigentliche Star des Abends ist die Musik. Das Orchestra La Scintilla unter dem Dirigenten Riccardo Minasi und die Sänger*innen werden mit einem besonders kräftigen Premierenapplaus beschenkt. Überzeugend und überraschend ist Spucks Idee, Monteverdis Musik mit italienischen Schlagern zu konfrontieren. Adriano Celentanos «Azzuro» beispielsweise. Der italienische Megasong ist verfremdet und nur leise zu hören, wie aus einer anderen Sphäre. Diese Distanziertheit prägt den ganzen Abend, der in einem konstant grauen Bühnenbild der Melancholie nachspürt. Was in der «Winterreise» treffsicher war, erzeugt in «Monteverdi» ein Déjà vu.
Fazit: «Monteverdi» ist grandios in seinen Einzelteilen, wunderbare Musik, hervorragende Sänger*innen und hochstehender Tanz, aber die drei Elemente bleiben auf seltsame Weise distanziert zueinander. Die Verschmelzung, das überwältigende Gefühl eines symbiotischen Gesamtkunstwerks ist, anders als in Spucks congenialer «Winterreise», weniger spürbar. Nichts desto trotz hat Zürichs abtretender Ballettdirektor mit der Verbindung von Ballet und Gesang auf der Bühne ein eigenständiges Format geschaffen, für das man dankbar sein muss.
Felix Schenker