IntegrART | Inklusive Bühnenkunst
Biennale für Inklusion des Migros-Kulturprozent
Das Netzwerkprojekt IntegrART des Migros-Kulturprozent fördert seit 2007 inklusive Bühnenkunst: Mit Pioniergeist gestalten Künstler*innen mit und ohne Behinderungen gewohnte Ausdrucksformen neu und erweitern das Spektrum an Möglichkeiten für die Kunstschaffenden sowie für das Publikum – die gesellschaftliche Utopie einer gelebten Inklusion wird auf der Bühne real.
Repräsentanz und soziale Gerechtigkeit
IntegrART vernetzt alle zwei Jahre inklusive Festivals sowie interessierte Theaterhäuser aus allen Landesteilen der Schweiz, präsentiert gemeinsam mit ihnen nationale sowie internationale Tanz- und Theaterproduktionen und veranstaltet diskursive Plattformen. Mit dieser Biennale engagiert sich das Migros-Kulturprozent für die selbstbestimmte Einbindung von Menschen mit Behinderungen in den Kunst- und Kulturbetrieb – als Grundlage für Repräsentanz und soziale Gerechtigkeit. Da dies immer noch unzureichend im allgemeinen Bewusstsein verankert ist und der diesbezügliche Wissensstand selbst bei aufgeschlossenen Zeitgenossen oft gering ist, schickt IntegrART seit 2007 nicht nur herausragende Tanzproduktionen von und mit Künstler*innen mit einer Behinderung auf Tournee, sondern bietet auch alle zwei Jahre eine Tagung mit Expert*innen an.
Fünf aussergewöhnlichen Bühnenproduktionen
Die Tänzerinnen Lovatiana Rakotobe aus Madagaskar und Maria Tembe aus Mosambique trafen sich beim Wildwuchs-Festival 2017 in Basel im Rahmen des Residenz-Projekts «watch&talk» des Migros- Kulturprozent. Bereits die hier entstandene erste gemeinsame Improvisation vermochte es, eine hochkonzentrierte Atmosphäre der Begegnung zu kreieren, die jenseits von Sprache den Beginn einer gemeinsamen Erzählung schuf. Der in Spanien geborene Tänzer Helliot Baeza, seit 2006 Mitglied der Compagnie Danza Mobile, begibt sich in seinem Solo an der Schnittstelle von Tanz, Theater und Performance auf eine szenische Reise, die das Einzigartige, das jeden Menschen ausmacht, in den Fokus rückt. Ausgehend von seiner eigenen Biografie eröffnet Baeza Debatten, schlägt Brücken und fragt, was Menschen verbindet, was sie unterscheidet und was sie trennt. Durch die eigenen Erinnerungen treibt man mitunter traumwandlerisch – und genau dort nimmt das Kurzstück «Erinnerungen schwirren» seinen Anfang. Aus der Stille kommend legen drei Tänzer*innen ihre Pfade durch den Raum, ihre Assoziationen nehmen behutsam Gestalt an, Bilderfolgen von Gewesenem werden sichtbar. Die Bewegungswelt von jemandem, der sich in den Augen anderer nicht bewegen kann, bleibt der Mehrheitsgesellschaft als blinder Fleck verborgen. Hierauf legt «Bewegt» seinen Fokus und schöpft dabei aus der Unterschiedlichkeit seiner beiden Darstellerinnen. Kraftvoll und zugleich subtil bewegen sich die performativen Miniaturen «Unvorhersehbare Fähigkeiten» durch ein weites Feld an Möglichkeiten und fungieren dabei als Leuchtkörper: Konturen nehmen als mehrdimensionale Realitäten ihren Raum ein. Ein Projekt des Stage Lab (Bühnenlabor), das im Rahmen des inklusiven Ausbildungsmoduls des BA Contemporary Dance (ZHdK) und in Zusammenarbeit mit dem SNF-Forschungsprojekt «DisAbility on Stage» des Institute for the Performing Arts and Film (ZHdK) agiert.
Tagung
In Ergänzung zu den Festivals organisiert das Migros-Kulturprozent im Herbst 2021 eine Tagung. Sie dient als Plattform: sowohl für Entscheidungsträger*innen mit wenig Wissen zu Inklusion als auch für Akteur*innen und Expert*innen, die bestehende Handlungsweisen und Tools vorstellen können. Eine internationale Vernetzung wird möglich, was wichtig ist, weil sich im inklusiven Kunstbereich nach wie vor viele Einzelakteur*innen bewegen, und Verknüpfungen neue kreative und stärkende Impulse bringen. Es wird ein Raum geschaffen, in dem Künstler*innen und Kulturschaffende mit Behinderung als die Expert*innen anerkannt werden, die sie sind, wenn es darum geht ko-kreative Lösungen und Modelle zu erschaffen. Denn immer noch wird oft über Menschen mit Behinderungen gesprochen und entschieden, ohne dass sie überhaupt im Raum sind. Die vertiefte Auseinandersetzung, die an einer Tagung möglich ist und die so geschaffenen Erfahrungsräume, verändern das Bewusstsein von Akteur*innen und es werden Handlungsimpulse ausgelöst.