Martin Zimmermann | Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring
- Publiziert am 16. September 2021
Die mit 100 000 Franken dotierte Auszeichnung geht 2021 an ein Multitalent.
Martin Zimmermann, geboren 1970, aufgewachsen im kleinen Dorf Wildberg, erfindet, choreografiert und inszeniert seit über 20 Jahren ein visuelles Theater, das in kaum eine Schublade passt. Mit seinen Arbeiten schafft er ein eigenes Genre, das die Perspektive der Darstellenden Künste öffnet. Neben Zimmermann ehrt das Bundesamt für Kultur diverse andere Persönlichkeiten aus der Welt der Bühne.
Seit 2021 verleiht das BAK die Schweizer Tanz- und Theaterpreise unter dem Dach der Darstellenden Künste. Die Schweizer Preise Darstellende Künste werden von den beiden Eidgenössischen Jurys für Tanz und Theater vorgeschlagen. Die weiteren Preise erhalten Nicole Seiler, das Ballet Junior de Genève, die beiden Urban Dance Festivals Groove’N’Move und Breakthrough, Mathieu Bertholet, Tanya Beyeler, fleischlin/meser, Joël Maillard, Antje Schupp, Manuel Stahlberger, «LUMEN» von Jasmine Morand, «Der Mensch erscheint im Holozän» von Alexander Giesche und Mirjam Gurtner.
Fragile Figuren und bizarre Objekte
Martin Zimmermann (*1970) ist ein wahres Multitalent. Er ist zugleich Choreograf, Theaterregisseur, Bühnenbildner und Clown. Nach einer Lehre als Dekorationsgestalter in Zürich absolvierte er das Centre National des Arts du Cirque (C.N.A.C) in Paris. Seit mehr als 20 Jahren erfindet, choreografiert und inszeniert er visuelles und physisches Theater ohne Worte, deren Mischung aus Tanz, Zirkus, Theater und spektakulären Bühneninstallationen ein grosses Publikum begeistert. Die Stücke des Schweizer Ausnahmekünstler eroberten über all die Jahre weltweit Institutionen und Theaterhäuser wie zum Beispiel das Sydney Opera House, das BAM New York, das Théâtre de la Ville Paris, das Tokyo Metropolitan Theater oder die Fondation Beyeler. Humor, Magie und Absurdität machen die Einzigartigkeit von Martin Zimmermanns künstlerischem Schaffen aus. Für seine Stücke kreiert er skurrile fremdartige Welten und inszeniert darin seine Figuren und bizarren Objekte. Oft entnimmt er der Realität alltägliche Dinge und setzt sie in Parallelwelten, wo sie sonderbar deplatziert und absurd wirken. Er wirft Konventionen über den Haufen, hinterfragt Gesetzmässigkeiten, enthüllt Unsichtbares, lässt Unwahrscheinliches wahr erscheinen und stiftet den Zuschauer*innen zu anderen Denkweisen an. In seinem Schaffen steht der Mensch in seiner Komplexität im Zentrum.
Neues Projekt «Wonderful World»
Martin Zimmermann ist Associated Artist am Tanzhaus Zürich und am am maisondelaculture de Bourges / Scène Nationale. Im August 2021 hatte sein jüngstes Werk «Danse Macabre» Premiere am Zürcher Theater Spektakel. Zur Eröffnung des Tanzfestivals Steps im Frühjahr 2022 entsteht zusammen mit der Tanzkompanie am Theater St. Gallen «Wonderful World». Für sein Werk wird er nun mit dem höchsten Schweizer Theaterpreis, dem Grand Prix Darstellende Künste, auch bekannt als Hans-Reinhart-Ring, ausgezeichnet. Der Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring, der Zimemermann nun zu Ehren wird, setzt die Tradition des seit 1957 von der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) verliehenen wichtigsten Schweizer Theaterpreises fort und ehrt eine Persönlichkeit oder Institution des Schweizer Schaffens in den Darstellenden Künsten. Die Preissumme beträgt 100’000 Franken. Martin Zimmermann lebt und arbeitet in Zürich.
Weitere Schweizer Preise Darstellende Künste
Ausserdem werden zwei Tanzpreise, sechs Theaterpreise, ein interdisziplinärer Preis, zwei Produktionspreise sowie der June Johnson Newcomer Prize an Personen oder Institutionen vergeben, die sich in einem Bereich des vielfältigen Schaffens der Darstellenden Künste der Schweiz verdient gemacht haben.
Die beiden eidgenössischen Jurys für Tanz und Theater setzen mit ihrer diesjährigen Auswahl auf eine aktuelle Generation von Kunstschaffenden im mittleren Lebensalter, die Hartnäckigkeit beweisen und damit eine wichtige Rolle in der aktuellen Situation und für die Zeit nach der Covid-Krise haben.
Die Preissumme beträgt jeweils 40’000 Franken.
Nicole Seiler (VD) wurde 1970 in Zürich geboren, studierte an der Scuola Teatro Dimitri, an der Vlaamse Dansacademie in Brügge/B und an der Rudra-Béjart Schule in Lausanne, von wo aus sie seit 2002 mit ihrer eigenen Compagnie spartenübergreifende, innovative Arbeiten wie Filme, Installationen oder ortsspezifische Arbeiten realisiert. (Interdisziplinärer Preis)
Ballet Junior (GE): Seit über 50 Jahren besteht diese einzigartige Ausbildungsstätte in Genf. 1975 wurde die Schule privatisiert und von Beatriz Consuelo geleitet. Seit 1999 führen Patrice Delay und Sean Wood Schule und Nachwuchscompagnie und bezogen 2007 Räumlichkeiten in einer alten «L’Imprimerie». (Tanzpreis)
Festivals Breakthrough und Groove’N’Move (ZH/GE): Die beiden seit rund zehn Jahren in Zürich und Genf stattfindenden Festivals für urbanen Tanz bilden die aktuelle Szene in diesem Bereich in der Schweiz ab. Mit dieser Doppelauszeichnung soll eine nationale Anerkennung dieser aufstrebenden Szene erzielt werden. (Tanzpreis)
Mathieu Bertholet (VS/GE):Geboren 1977 im Wallis, studierte Mathieu Bertholet an der Universität der Künste in Berlin. Er hatte 2001 eine Residenz an der Comédie de Genève, war assoziierter Autor am Théâtre du Grütli und ist seit 2015 künstlerischer Leiter des Théâtre de Poche in Genf. (Theaterpreis)
Tanya Beyeler (TI): Geboren 1980 und aufgewachsen in Lugano, gründete Tanya Beyeler zusammen mit Pablo Gisbert das in Barcelona ansässige Künstlerkollektiv El Condo de Torrefiel. Ihre bildstarke Ästhetik zwischen Choreografie, Literatur und Tableaux vivants macht sie seit 2010 international bekannt. (Theaterpreis)
fleischlin/meser (LU/Berlin): Beatrice Fleischlin, Jahrgang 1971, in Sempach, studierte an der Schauspielakademie in Zürich (heute ZHdK) und bildete sich an der Tanzfabrik in Berlin weiter. Anja Meser, Jahrgang 1980, lebt in Berlin und arbeitet als freischaffende Tänzerin, Choreografin und Performerin. In ihren gemeinsamen Arbeiten setzen sie sich mit Gender und Identität auseinander. (Theaterpreis)
Joël Maillard (VD): Joël Maillard, geboren 1978, ist Schauspieler, Autor und Regisseur. Ausgebildet am Konservatorium in Lausanne in der Sektion «art dramatique», schreibt er seit 2005. Oft spielt er selbst in seinen eigenen Regiearbeiten, die eine eigenartige Welt zwischen Beckett und Science-Fiction erweckt. (Theaterpreis)
Antje Schupp (BS): 1983 in München geboren, studierte Antje Schupp Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Cultural Studies in Wien sowie Regie an der Bayrischen Theaterakademie in München. Seit 2010 arbeitet sie als vielseitige Regisseurin im Sprech- und Musiktheater und tritt als Performerin auf. (Theaterpreis)
3/3
Manuel Stahlberger (SG): Manuel Stahlberger, geboren 1978, ist Kabarettist, Musiker und Comic-Zeichner («Herr Mäder»). Sein eigenwilliger Stil zeichnet sich durch eine feine und einfallsreiche Gesellschaftskritik aus. Im Rahmen der Schweizer Theaterpreise war er 2016 für den Schweizer Kleinkunstpreis nominiert. (Theaterpreis)
Preise «Tanzproduktion 2020» und «Theaterproduktion 2020»
Aus dem Wettbewerb zur Tanzproduktion wählte die Eidgenössische Jury für Tanz aus 31 Anmeldungen folgende Preisträger aus, sie erhalten jeweils 25 000 Franken:
«LUMEN» von Jasmine Morand (VD/*1977) als bemerkenswertestes Stück des vergangenen Jahres. Die Kreation für 13 Tänzer*innen ihrer 2008 gegründeten Compagnie Prototype Status spielt in einem ausgeklügelten Bühnensetting aus Licht, Spiegeln und Tanz mit der Wahrnehmung des Publikums.
Aus der Shortlist mit 22 Produktionen vom Schweizer Theatertreffen 2021 wählte die Eidgenössische Jury für Theater als herausragende Theaterproduktion 2020 «Der Mensch erscheint im Holozän» vom Schauspielhaus Zürich in der Regie von Alexander Giesche (D/*1982). Das «Visual Poem» nach der gleichnamigen Erzählung von Max Frisch thematisiert die Fragilität unseres Planeten.
June Johnson Newcomer Prize
Die Preissumme beträgt 25’000 Franken, gestiftet von der Stanley Thomas Johnson Stiftung.
Aus den 39 Bewerbungen im Wettbewerb schlug ein Ausschuss aus beiden Jurys vier Namen vor. Daraus wählte die Stanley Thomas Johnson Stiftung Mirjam Gurtner (BS&Berlin/*1980). Mit ihrem aktuellen Stück «Play» beschreitet die sozial engagierte Choreographin neue Wege.