Sami, Joe und ich
Ein Film über Solidarität und Freundschaft, der sich bewusst üblichen Mädchen-Klischees verweigert.
Sami, Joe und Leyla sind sechzehn und ready für den besten Sommer überhaupt. Endlich kann das Leben richtig losgehen, so wie sie sich das immer vorgestellt hatten. Nur was der Sommer für sie auf Lager hat, hat null und gar nix mit ihren Träumen zu tun. Ein Film mit starken, jungen, erfrischenden Laienschauspielerinnen, der über lange Strecken authentisch wirkt, doch am Ende nicht jeden ganz überzeugt.
arttv Rezension
Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel. Sie sind unzertrennlich. Die Freundschaft zwischen Sami, Joe und Leyla ist verbindlich und ehrlich. Die drei jungen Frauen beenden gemeinsam die Schule und haben nun den Schritt ins Erwachsenenleben zu machen. Alle drei haben einen Migrationshintergrund, wohnen in diesen gesichtslosen, in Aussenquartieren stehenden Wohnblocks und haben zu Hause um ein bisschen Unabhängigkeit schwer zu kämpfen. Vor allem die aus Bosnien stammende Sami hat einen schweren Stand gegen ihren strengen, überwachenden Vater, der sie auch mal unter Hausarrest stellt, wenn sie ein paar Minuten zu spät nach Hause kommt. Dazu hat sie einen Bruder, der sie bei jeder Gelegenheit verpetzt, die Mutter farb- und meinungslos. Joe dagegen, eine quirlige, selbstbewusste Frau mit guten Schulnoten, will nichts anderes als Geld verdienen und unabhängig sein. Jeder Job ist willkommen. Ihr Los ist auch nicht ohne: weil die alleinerziehende Mutter ganztägig arbeitet, muss sie immer wieder zu ihren zwei kleinen Geschwistern schauen. Und das nervt zuweilen heftig. Leyla hat es besser. Ihr Vater ist verständnisvoll und nachsichtig und ihr Bruder ok. Sie macht eine Lehre in einer Grossküche und wird vom garstigen Chef sogar ab und zu gelobt. Die drei haben viel Spass miteinander, blödeln herum, gehen in die Disco – bis sie der Ernst des Lebens einholt. Und wenn es sehr Ernst wird, bleiben sie solidarisch, was es auch kosten mag – und das ist ein Element des Films, das beeindruckend ist. Der Regisseurin und Drehbuchautorin Karin Heberlein gelingt es in ihrem ersten Spielfilm, die Entwicklung der drei wunderbaren Protagonistinnen so dazustellen, dass es authentisch wirkt, glaubhaft und überraschend. Da braucht es eine rechte Portion gegenseitigen Vertrauens. In diesen anderthalb Stunden wird man Zeuge einer Veränderung und Reifung der drei unterschiedlichen Freundinnen. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Aber die Freundschaft bleibt. Und die Aussage, dass man mehr Träume in der Seele haben soll, als die Wirklichkeit zerstören kann, hat vom Anfang bis zum Schluss Gültigkeit. Madeleine Hirsiger
Zum Film
Sami, Joe und Leyla bilden eine unzertrennliche Mädchenclique. Plaudernd und lachend ziehen sie durch die Agglomeration einer Schweizer Grossstadt. Das Ende der gemeinsamen Schulzeit hätte der Auftakt eines aufregenden Sommers werden sollen, doch die lebhaften Teenager müssen sich mit so einigem rumschlagen. Sami leidet unter ihren allzu strengen Eltern, Joe muss sich tagein, taugaus um ihre Geschwister kümmern, und Leyla tritt voller Nervosität ihre Lehrstelle in einer Grossküche an. Für die drei stehen wegweisende Entscheidungen an: Was möchten sie in ihrem Leben erreichen? In einer Zeit voller Veränderungen scheint ihre Freundschaft das einzig Beständige zu sein, doch als sich die Ereignisse überschlagen, wird sie auf eine harte Probe gestellt. (Synopsis)
Die Regisseurin
Geboren in Basel und aufgewachsen in Zürich, zog Karin Heberlein nach London und studierte Schauspiel an der Central School of Speech & Drama in London. Verschiedenste Arbeiten an Theatern in England und Schottland (u.a.Oxford Playhouse, National Theatre London, Tron Theatre Glasgow, Traverse Edinburgh) und an internationalen Festivals folgten. Parallel entstanden erste eigene Theaterproduktionen als Autorin/Regisseurin als resident artist am BAC, am Dublin Theatre Festival, am Edinburgh Festival, im HAU in Berlin und auf Kampnagel in Hamburg. Eine Weiterbildung in Filmregie an der NFTS/Met Film School in London verschob den Fokus und führte zum Film. Assistenzen und erste Kurzfilme folgten. 2012/13 war sie Stipendiantin der 24. Drehbuchwerkstatt München/Zürich an der HFF und arbeitet seither als freischaffende Autorin und Regisseurin. «Sami, Joe und ich» ist ihr erster Langspielfilm.
Weitere Stimmen
Die Musik in «Sami, Joe und ich» stammt teilweise von jungen Frauen mit Migrationshintergrund wie etwa der Zürcher R&B-Sängerin Naomi Lareine. Das ist wohl das Beste am Film. Gedreht hat die Regisseurin im 4:3-Format, was gut zum ‹Eingesperrt-sein› der drei Mädchen passt. Leider wird der Film im Verlauf der Geschichte immer unglaubwürdiger. Was stark beginnt, verkommt allmählich zu einem besseren Fernsehfilm. ‹Sami, Joe und ich› ist trotzdem sehenswert, denn es macht Spass, den drei jungen, coolen Laienschauspielerinnen zuzusehen. Den mitreissenden Filmsoundtrack, wie bereits erwähnt, wird man nicht so schnell vergessen.» – Felix Schenker, arttv.ch | «‹Sami, Joe und ich› ist ein sympathischer Film, der trotz seiner bestürzenden Momente auch Hoffnung zeigt. Der cool inszenierte, mit flotter Musik unterlegte Indie aus der Schweiz zeigt, dass wahre Freundschaft genauso wichtig ist wie ein stabiles, liebevolles Umfeld. Dass dieser Aspekt so gut funktioniert, ist den drei Jungdarstellerinnen in den Hauptrollen zu verdanken. Einzeln gesehen schimmert in ein paar Szenen ihre Unerfahrenheit noch etwas durch, doch als Trio verbindet sie eine natürliche Chemie, die fesselt, und man muss die Clique einfach gern haben. So ein Casting-Coup ist Gold wert.» – Marco Albini, outnow | «‹Sami, Joe und ich›, für den Heberlein 2020 beim Zurich Film Festival unter anderem den Publikumspreis der Wettbewerbs-Sektion gewann, ist vor allem ein Film über Freundschaft und Solidarität unter jungen Frauen, auch und gerade in schwierigen Lebenssituationen. Zugleich verdeutlicht der Film, wie Mädchen und Frauen noch immer gegen misogynes und diskriminierendes Verhalten ankämpfen müssen – und dass es bis zur Gleichberechtigung aller Geschlechter noch einen weiten Weg zurückzulegen gilt.» – Stefanie Borowsky, Filmfestival Max Ophüls