Theater Spektakel 2021
- Publiziert am 16. August 2021
Die Spielstätten auf der Zürcher Landiwiese steht bereit und Künstler*innen aller Kontinente sind fürs Theater Spektakel 2021 angereist.
Über 30 Projekte, darunter zehn Weltpremieren von Casablanca bis Tokyo, von London bis Bogota: Mehr Uraufführungen gab es selten beim Theater Spektakel. Am Ufer der Saffainsel legt ein kolumbianisches Schiff an und in der Werft wird eine Western-Oper gesungen. Portugiesische Frauen tanzen im Nord immer wieder den Bolero. Avatare aus Hongkong sind auf der Bühne der Roten Fabrik zu sehen. Für die Landiwiese entwickeln 15 internationale Künstler*innen Monumente.
Das Zürcher Theater Spektakel wurde 1980 als internationales Treffen freier Theater gegründet. Rasch hat es sich zu einem kulturellen Anlass mit internationaler Anziehungskraft entwickelt. Heute ist es eines der wichtigsten europäischen Festivals für zeitgenössische Formen der darstellenden Künste. Eine konsequente, künstlerisch hoch stehende Programmation, die einzigartige Atmosphäre und ein aufgeschlossenes, interessiertes Publikum in grosser Zahl sind die Basis der Erfolgsgeschichte und machen das Theater Spektakel zu einem gefragten Auftrittsort von Künstler*innen aus der ganzen Welt.
Wiedersehen mit bekannten Namen
Nature Theater of Oklahoma aus New York hat das Theater Spektakel mit dem wunderbar humorvollen Stück aus einem Western-Salon vor drei Jahren mit grossem Erfolg eröffnet. Jetzt legen sie noch einen drauf: Die Western-Oper «Burt Turrido» ist eine kurzweilige und absurde Odyssee – bei der auch Line Dance nicht zu kurz kommt. Ebenfalls stellenweise skurril, aber angesichts jüngerer Ereignisse tragisch ist die Auflösung eines Guerilla-Camps nach dem Friedensabkommen von Mapa Teatro. Die Gruppe aus Bogota ruft die Ikonen des Kommunismus zusammen, um in ihrer Revue «Le Despedida» vom Abschied zu erzählen. Den Anfang in der Werft macht indes der Zürcher Bühnenkünstler und Choreograf Martin Zimmermann: «Danse Macabre» ist ein Stück über drei aus allen Normen herausgefallene Figuren, die auf einer Mülldeponie hausen. Makaber, verrückt – und auch für ein jüngeres Publikum geeignet.
Andere Stimmen, neue Geschichten
Welche Geschichten erzählen wir uns? Welche Erfahrungen, welche Erinnerungen und welche Hoffnungen lassen wir zu Wort kommen, wenn wir über uns selbst sprechen? Selbstermächtigung heisst auch, sich nicht länger zum Schweigen bringen zu lassen – und die eigene Geschichte zu erzählen. Zwei Stücke am diesjährigen Theater Spektakel setzen dies auf jeweils eigene Weise besonders eindrucksvoll in Szene. Wohl nicht zufällig stehen dabei Frauen im Mittelpunkt: Beeindruckt von den Begegnungen, die sie mit ihnen hatte, bringt die Musikerin und Choreografin Dorothée Munyaneza in «Mailles» fünf Schwarze Kolleg*innen zusammen, um aus ihren Stimmen einen Chor aus Sprachen und Geschichten zu weben. Und bei Marion Siéfert steht eine junge Frau aus dem französischen Orléans im Zentrum: Jeanne reisst als @_jeanne_dark_ auf Instagram das Zepter an sich – und erfindet sich vor aller Augen neu. Das grossartige Coming-of-Age-Theaterstück zeigt auf, was es heisst, heutzutage ein Teenager zu sein. Miterleben kann man die packende Geschichte auf der Bühne oder man folgt der Verwandlung über Instagram.
Austausch und Diskurs am Festival
Die Positionen im künstlerischen Programm und die Themen, die darin vorkommen, werden wie in den vergangenen Jahren mit diskursiven Beiträgen reflektiert. Yener Bayramoğlu und María do Mar Castro Varela beschreiben in ihrem Festivalessay die Fragilität unsere Existenz und rufen dazu auf, sie zur Grundlage eines politischen Programms zu machen. Auch die Vortragsreihe Talking on Water setzen wir in diesem Jahr fort mit postkolonialen Perspektiven, die gerade angesichts der Pandemie dringlich wurden. Die Politikwissenschaftlerin Françoise Vergès skizziert, was eine dekoloniale und feministische Perspektive auf die Pandemie zu sehen erlaubt. Und die Sozialanthropologin Shalini Randeria spricht darüber, wie die Ungleichheiten in dieser globalen Krise nicht verwischt, sondern noch verstärkt werden.
Text: Theater Spektakel