Egoïste: Lotti Latrous
- Publiziert am 22. Oktober 2007
Stephan Anspichler gelang eine Dokumentation, die authentisch ist und auf jegliche Schönfärberei verzichtet.
Synopsis: Was Lotti Latrous, Schweizerin des Jahres 2004, innerhalb der letzten neun Jahre mit ihrem Sterbehospiz für Aidskranke an der Elfenbeinküste geschaffen hat, basiert auf ernsthaften und schwerwiegenden Entscheidungen, die ihr (Familien-)Leben für immer und drastisch verändern. Die Mutter dreier Kinder führte eigentlich ein stets erfülltes Dasein. Je länger je mehr begann sie allerdings ihren Lebensweg kritisch zu hinterfragen, war dieser doch bislang vom Überfluss und von luxuriösen Inhalten geprägt. Lotti Latrous nennt sich selbst „die grösste Egoistin der Welt“. Dies vor allem aufgrund gesellschaftlicher Beurteilungen, mit denen sie immer wieder konfrontiert wurde. Aber auch die Vielzahl an moralischen Konflikten ging nicht spurlos an ihr vorbei. Der junge Filmemacher Stephan Anspichler porträtiert mit Lotti Latrous eine engagierte, herzliche Persönlichkeit im scheinbar aussichtslosen Clinch zwischen Familie und Berufung. Dabei kommen sowohl Ehemann als auch ihre drei Kinder zu Wort.
Kritik: “Egoïste: Lotti Latrous” ist der erste Dokumentarfilm von Stephan Anspichler. Impetus für sein Filmprojekt war Latrous’ Auftritt in der Deutschen Talkshow von Johannes B. Kerner anlässlich des Welt-Aidstages 2004. Ihre offene und direkte Art zog Anspichler gleich zu Beginn in einen Bann, der ihn seither nicht mehr losgelassen hat. Diesen Zauber spiegelt der Film denn auch fühlbar die gesamte Länge hindurch. Anspichler gelang eine Dokumentation, die authentisch ist und insbesondere auf jegliche Schönfärberei verzichtet. Die Eindrücke sind offen, klar, direkt – zuweilen hart und an der Grenze des Erträglichen. Was allerdings positiv zu verstehen ist, denn dadurch findet Latrous’ unglaubliche Hingabe zur Arbeit genügend Ausdruckskraft. Nicht minder eindrücklich wurde der zumeist vollbrachte Spagat zwischen Berufung und Familie auf die Leinwand gebannt. “Die grösste Egoistin der Welt“ stellt ihre persönlichen Ansprüche ohne Wenn und Aber zurück, um Hilfsbedürftigen alles in ihrer Macht stehende geben und gegen Ungerechtigkeiten ankämpfen zu können. Fürwahr eine berührende Geschichte, die von Licht und Schatten gleichermassen geprägt ist. (CS)