Kino | Pepperminta
«Pepperminta» ist ein zeitgenössisches Märchen von Pipilotti Rist und erzählt von einem langen, knallfroschfarbenen Sommer – in Peppermintas Worten: “Blütenblätter über euer aller Köpfe!”
Synopsis: Pepperminta (Ewelina Guzik) ist eine Anarchistin der Fantasie. Sie wohnt in einer futuristischen Villa Kunterbunt und lebt nach ihren ganz eigenen Regeln. Die junge Frau hat Farben als beste Freunde, Erdbeeren als Haustiere und sie kennt phantastische Rezepte, um die Menschen von ihren nutzlosen Ängsten zu befreien. Pepperminta wünscht sich, dass alle die Welt in ihren Lieblingsfarben sehen. Werwen (Sven Pippig), ein mindestens so pummliger wie scheuer junger Mann, von dessen Sexappeal Pepperminta hingerissen ist, und die schöne Edna (Sabine Timoteo), die mit den Tulpen flüstert, begleiten sie auf ihrer leidenschaftlichen Mission. Zu Dritt machen sich diese ganz anderen Musketiere auf, für eine menschliche Welt zu kämpfen. Wo immer die Bande auftaucht, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen und das Leben der Menschen verändert sich auf wundersame Weise. Stars: Ewelina Guzik (Pepperminta) ist bereits zum fünften Mal Darstellerin in einer Arbeit für Rist, seit sie für die Videoinstallation „Homo Sapiens Sapiens“ (2005) entdeckt wurde. Sie ist Tänzerin und beherrscht auch den Dialog mit der Kamera. Regie & Crew: Pipilotti Rist (eigentlich Elisabeth Charlotte Rist) wurde 1962 im Kanton St. Gallen geboren und ist eine international bekannte Videokünstlerin. Neben Videoinstallationen und Experimentalfilmen gehören zu ihren Arbeiten auch Environments, Objekte, Computerkunst und digitale Fotomontagen. Als Drehbuchautorin und Regisseurin hat sie mit «Pepperminta» ihren ersten Langspiefilm realisiert. Der Kameramann Pierre Mennel («No more Smoke Signals» 2008, «Die Standesbeamtin» 2009) arbeitet seit 15 Jahren mit Rist zusammen. Su Erdt ist verantwortlich für die Ausstattung und Kostüme. Die Musik von Anders Guggisberg und Roli Widmer wurde speziell für diesen Film gemacht.
art-tv-Wertung: Mit langen roten Haaren und bunten Kleidern hüpft Pepperminta durch die Welt – eine erwachsene Version von Astrid Lindgrens Pippilotta Pfefferminza Langstrumpf. Der erste Spielfilm von Pipilotti Rist trägt somit autobiografische Fantasiezüge, schliesslich trägt sie seit ihrer Kindheit und bis heute auch als Künstlerin den Vornamen der beliebten Kinderbuch-Figur. Auch Themen ihrer früheren Arbeiten scheinen in den Film mit einzufliessen, weshalb es sich natürlich auch nicht um einen Kinderfilm handelt: Sexualität, das Körperbild des Menschen und falsche Tabus spielen eine bestimmende Rolle und zwar auf eine Art und Weise, die manchen Zuschauer ab und zu ekeln wird: Aus einem Gralsbecher trinkt die Dreierbande feierlich Menstruationsblut, dass ihnen Kraft und Mut geben soll. Ähnlich wie ihre ersten Super-8-Filme, arbeitet Rist auch hier mit technischen Effekten, um bunte Farben zu kreieren, Geschwindigkeiten zu verändern und Musik einzusetzen und zeigt, dass sie sich Ihre Freude an optischer, akustischer und haptischer Sinnlichkeit, fröhlicher, intensiver Buntheit und scheinbarer Naivität bewahrt hat. Ganz wie die Welt von Pepperminta, steht ab und zu auch die Kamera auf dem Kopf, die den Figuren auf ihrer Reise auch unter Wasser eindrucksvoll zu folgen vermag. Das Verlangen, wie ein Kind durch eine Welt zu rennen, in der man sich alles erlauben und trauen kann, wirkt teilweise jedoch etwas bemüht. Verändern, fühlen, berühren und schmecken ist das Credo dieser Möchte-Gern-Kinder, die ab und zu auch nackt durch diese farbige Fantasiewelt schweben, ganz natürlich eben und ungehemmt, aber irgendwie auch abgehoben, frei nach ihrem Motto: «Wir wollen den Himmel ficken!» Das langsame Hochdeutsch von Pepperminta kommt ein wenig künstlich und etwas didaktisch daher und auch das Schema von «Gut und Böse» ist im Gegensatz zu dieser farbigen Welt eher schwarz-weiss. Selbsterklärtes Ziel von Rist ist es mit diesem Spielfilm auch Zuschauer ausserhalb der Kunstwelt zu finden. Doch der dramaturgische Bogen, der im Gegensatz zu einer Videoinstallation für das Kino grundlegend ist, vermag in «Pepperminta» nicht ganz die 84 Minuten Laufzeit zu stützen. Fazit: Trotz einer etwas kindischen Erzählung berührt «Pepperminta» durch sein utopisches Potential und erfrischt den Zuschauer mit einer erfinderischen Bildsprache.
Isabel Bures