Swiss dance Days | Basel
Spiel- und Lebensfreude, gegenseitige Inspiration und internationaler Austausch
Das Programm der Swiss Dance Days zeigt sich verheissungsvoll. Nachdem es im vergangenen Jahr ausfallen musste, treffen nun Anfang Februar in Basel Tänzer*innen, Choreograf*innen und Kulturschaffende auf ein neugieriges Publikum. Das Programm gibt einen Einblick in die zeitgenössische Tanzszene und nimmt sich insbesondere Identitäts- und Genderfragen an.
Die Swiss Dance Days wurden 1996 gegründet. Vorbild für die Veranstaltung waren die Rencontres chorégraphiques de Seine-Saint-Denis in Paris, ein wegweisendes Festival, das sich seit 1969 dem zeitgenössischen choreografischen Schaffen widmet. Die Swiss Dance Days haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine Plattform zur Förderung der Schweizer Choreographie zu schaffen, mit dem Ziel, den Stücken im Ausland, aber auch häufiger in der Schweiz Tourneen zu ermöglichen. Die einzigartige Veranstaltung, die seit 2006 von Reso – Tanznetzwerk Schweiz mitorganisiert wird, findet alle zwei Jahre in einer anderen Schweizer Stadt statt. Während einigen Tagen zeigt es bemerkenswerte Tanzstücke mit künstlerischer Kraft, Originalität und einer einzigartigen Sprache. Die Stücke sind in den zwei vorausgehenden Jahren jeder Ausgabe entstanden. Genf, Basel, Bern, Lausanne, Lugano, Luzern, Zürich: Die Schweizer Tanztage haben in vielen der grössten Städte der Schweiz sowie in den drei wichtigsten Sprachregionen des Landes stattgefunden. Die 11. Ausgabe wird in Basel ausgetragen, eine Region mit einer aktiven und faszinierenden Choreografie-Szene.
Vier Highlights aus dem Programm
DOOM | Teresa Vittucci with Colin Self | 5. Februar 2022, 21:00 Uhr
In «DOOM» widmet sich Teresa Vittucci in Kollaboration mit Colin Self dem Ursprung der Frauenfigur, wie sie in der Genesis und der griechischen Mythologie angelegt wurde: Eva und Pandora. Im zweiten Teil ihrer Trilogie «in praise of vulnerability» – nach dem preisgekrönten «HATE ME, TENDER» – beleuchtet sie die beiden Frauenfiguren mit einem kritischen und queer-feministischen Blick. Die Erzählungen über Eva und Pandora und die damit einhergehenden Rollenzuschreibungen waren und sind für die Stellung der Frau in allen christlich- judäischen und abrahamischen Gesellschaften ausschlaggebend. In einer poetischen Erkundung tauchen Vittucci und Self in das Feld des ungewissen Wissens ein. Was wird verletzt, wenn weibliche Neugier auf die patriarchische Struktur trifft, und: Welches Risiko birgt die Entscheidung, die Augen dennoch zu öffnen?
Teresa Vittucci aus Wien, lebt und arbeitet in Zürich. Ihre Praxis ist im zeitgenössischen Tanz und der Performance verwurzelt und erforscht feministische und queere Perspektiven in Popkultur, Geschichte und Religion. Sie arbeitet sowohl als Solokünstlerin, als auch in Kollaborationen. Dazu gehören Arbeiten mit Simone Aughterlony, Nils A. Lange, MJ Wolf, Michael Turinsky und Colin Self. Teresa erhielt den Schweizer Tanzpreis für ihr Stück «Hate me, tender» und ist Young Associated Artist am Tanzhaus Zürich.
Forever | Tabea Martin | 5. Februar 2022, 14:00 Uhr | 6. Februar 2022, 10:30 Uhr
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sterben sie noch immer. Forever von Tabea Martin ist ein Stück für Kinder und Erwachsene ab 8 Jahren, das die Vorstellung vom ewigen, endlosen Leben hinterfragt. Egal wie oft der eigene Tod provoziert und am fremden Tod mitgewirkt wird – in diesem Raum der Unsterblichkeit gibt’s keine letztem Atemzüge, da haftet keine Blutspur auf weisser Kleidung. Mit einem Kanister voller Tränen und einem voller Blut gehen fünf Tanzende der Frage auf den Grund, ob dieser undefinierte Zustand zwischen Leben und Tod ein guter ist – und ob nicht doch sterben lustvoller sein könnte. Das Thema wurde mit Kindern in Interviews, Spielen und Workshops erarbeitet. Es ist nach «This is my last dance», das an den Swiss Dance Days 2019 eingeladen war, der zweite Teil von Martins Trilogie zum Thema Vergänglichkeit. 2021 folgte «Nothing Left».
Tänzerin und Choreographin Tabea Martin aus Basel studierte an der Kunsthochschule Amsterdam, der SNDO und der Rotterdamse Dansacademie, heute kreiert die Gewinnerin des Tanzpreis Baselland von 2016 selbst und arbeitet für unterschiedliche Theater und Opern. Sie zieht die Betrachtung des Menschen und Tanz als Werkzeug zur Interpretation der Welt formalästhetischen Paradigmen vor. Ihr Stück für junges Publikum «Pink for Girls & Blue For Boys» (2016) tourt europaweit.
Happy Hype | Cies des Marmots & Collectif Ouinch Ouinch | 2. Februar 2022, 22:30 Uhr | 5. Februar 2022, 23:00 Uhr
Der Hype Call ist ein interaktives Konzept aus der Krump-Kultur, einem Tanzstil, der in den 90er-Jahren in den Vororten von L.A. entstanden ist. Dabei feuern sich Tanzende gegenseitig mit Rippenstössen oder Schlägen lautstark an, um sich in einen emotional aufgeladenen Zustand zu versetzen. Davon ausgehend hat HAPPY HYPE seinen eigenen Hype Call entwickelt. In dieser Performance entfaltet sich eine machtvolle, spür- und greifbare Trance, eine Euphorie, bei der sich die ganze Ausdruckskraft der Körper manifestiert. Zu den schnellen Rhythmen der Livemusik von DJ Mulah wird das Publikum mit Blicken, Gesten und Lautmalereien zu einem universellen, utopischen Tanz animiert, der aus einfachen rhythmischen Schritten besteht. Es bleibt ihm überlassen, wie es sich an dieser karnevalesken Parade beteiligen möchte, die mit grossem Ernst überschäumende Lebensfreude vermittelt.
Freundschaft auf den ersten Blick war 2015 beziehungsweise 2019 der Grund für die Absolventen der Lausanner Manufacture in zeitgenössischem Tanz, zur Gründung des Collectif Ouinch Ouinch und der Compagnie des Marmots. Sie teilen dieselbe Vorliebe für folkloristische und urbane Tänze, für ekstatische Körper und für immersive Bühnensituationen – und haben «Mon Luga» und «Molecutrio» kreiert.
Promises of Uncertainty | Cie Moost / Marc Oosterhoff | 3. Februar 2022, 20:00 Uhr | 4. Februar 2022 | 17:30 Uhr
Unschuldig und experimentierfreudig zugleich balanciert er auf dem schmalen Grat zwischen Anspannung und Lockerheit, Risiko und Vorsicht, Humor und Ernst, Zufall und Kalkül, Improvisation und Kontrolle. Marc Oosterhoff beschäftigt sich mit dem Moment der gemeinsamen Empathie zwischen Publikum und Performer, diesem spielerischen aber unsicheren Balanceakt zwischen Gelingen und Scheitern. In seinem zweiten Solo «Promises of Uncertainty» mimt er den naiven Entdecker in einer Welt voller eigener Gesetzmässigkeiten und kosmischem Klang, den Raphael Raccuia
live beisteuert. Das Spiel mit den Fäden des Schicksals und der Bananenschale am Boden ist ein bizarrer, risikoreicher Reigen voller Sturz- und Höhenflüge, es ist eine transdisziplinäre Performance zwischen Physical Dance und Zirkus.
Marc Oosterhoff ist Abgänger der Dimitri Theaterakademie und der Manufacture Lausanne. Seine Praxis umfasst auch Parkour und Martial Arts. Sein künstlerisches Forschungsinteresse liegt zwischen Tanz, Theater, zeitgenössischem Zirkus und Performance. Sein erstes Solo «Take Care of Yourself» gewann zwei Preise und tourt immer noch. Mit Cédric Gagneur kreierte er zwei Outdoor-Stücke. «Promises of Uncertainty» entwickelte er 2019 als Young Associated Artist der Kaserne Basel. Sein nächstes Projekt Lab Rats zeigte er erstmals im März 2021 im Théâtre Sévelin 36 in Lausanne.
Text: Swiss Dance Days