Regisseurin Icíar Bollaín | «Yuli» | Das Interview
- Publiziert am 27. Februar 2019
«Ich wusste zwar, dass Carlos Acosta Kubas wohl legendärster Tänzer war, aber mehr nicht.»
Filmjournalist Geri Krebs hat sich für arttv.ch mit Icíar Bollaín zum Gespräch getroffen und dabei erfahren, dass ihre Liebe zu Kuba eine sehr alte ist – es aber trotzdem nicht sie selber war, die die Idee für den Film «Yuli» hatte…
«Yuli» ist ein Film, der durchdrungen ist von einer Liebe zu Kuba, zu seinen Menschen, seiner Kultur. Wie und wann fing diese Liebe bei Ihnen an?
Icíar Bollaín: «Erstmals reiste ich 1987 nach Kuba, zusammen mit meiner Schwester. Wir waren jung und neugierig, ich war damals schon Schauspielerin, aber es war eine rein touristische Reise. Danach flog ich 1991 erneut nach Kuba, dieses Mal für einen Kurs an der Filmschule EICTV in San Antonio de los Baños bei Havanna. Ich war begeistert und ging in den folgenden Jahren für weitere Kurse an die EICTV. Nachdem ich 1995 in Spanien meinen ersten Spielfilm «Hola, estás sola?», realisiert und ihn im folgenden Jahr auch am Filmfestival Havanna präsentiert hatte, wurde ich als Gastdozentin nach San Antonio eingeladen. Bei der Gelegenheit lernte ich die Schauspielerin Marilyn Torres kennen, die dann 1999 in meinem nächsten Film, «Flores de otro mundo», eine der Protagonistinnen war. Sie sehen, meine Liebe zu Kuba hat eine längere Geschichte und verschiedene Facetten. Trotzdem habe ich nun meinen ersten Film in Kuba nicht selber gesucht, sondern der Film suchte mich.»
Wie das?
Die britische Produzentin Andrea Calderwood nahm Kontakt auf mit meinem Mann, Paul Laverty, fragte ihn, ob er ein Drehbuch schreiben könne über die Lebensgeschichte von Carlos Acosta, basierend auf dessen 2008 erschienener Autobiografie «No Way Home: A Cuban Dancers Story». Paul akzeptierte und fragte mich dann auch gleich, ob ich bereit wäre, Regie zu führen – was ich natürlich gerne annahm.
Sie kannten Carlos Acosta und seine Autobiografie zuvor nicht?
Nein. Ich wusste zwar, dass er Kubas wohl legendärster Tänzer war, aber mehr nicht. Auch die Autobiografie las ich erst, als Paul mich angefragt hatte.
Carlos Acosta ein Superstar – war es schwierig, ihn für das Filmprojekt zu gewinnen?
Nein, ganz im Gegenteil: Er war es, der schon lange seine Lebensgeschichte in einem Film erzählen wollte. Carlos hatte schon Filmerfahrung, so hatte er 2008 im Compilationsfilm «New York, I Love You» an der Seite von Natalie Portman gespielt, und 2016 spielte er in der John-Le-Carre-Verfilmung «Our Kind of Traitor» einen kubanischen Tänzer. Ausserdem war bereits ein Projekt über Carlos’ Leben gestartet worden, dass dann aber scheiterte. Sie sehen also, ich hatte Glück, kam genau im richtigen Moment.
Und wer hatte die Idee, dass Carlos im Film die Szenen der Gegenwart auch selber verkörpert?
Die Idee kam von Paul und mir gemeinsam. Wir wussten zwar um das Risiko des Projekts, aber risikobereit wie Carlos ist, liess er sich sofort von der Idee begeistern.
Welches war für Sie die grösste künstlerische und erzählerische Herausforderung in diesem Mix aus dem realen und dem von Keyvin Martinez verkörperten Carlos Acosta?
Da muss ich zuerst präzisieren: Keyvin Martinez ist Tänzer, er hatte keinerlei Schauspielerfahrung. Wir hatten also einen Tänzer, der das Schauspielen erlernen musste und einen Tänzer mit Schauspielerfahrung, der aber sich selber als Tänzer verkörpern musste. Der Film ist von seiner Struktur her so aufgebaut, dass er von der Gegenwart aus erzählt und dabei weitgehend fiktional ist. Dabei kommt es immer wieder zu Szenen, in denen das, was der von Keyvin Martinez gespielte Carlos erzählt, seine Entsprechung in Tanzszenen findet, die vom realen Carlos Acosta getanzt werden.
Oder es gibt Archivaufnahmen von Carlos Acosta in der Royal Opera – doch wer dann in der Anschlusszene aus der Royal Opera herausgeht, ist Keyvin Martinez.
Genau. Und umgekehrt gibt es Szenen des realen Carlos Acosta in Begegnungen mit Personen aus seinem Leben, etwa mit Cherry, seiner früheren Ballettlehrerin, die von einer Schauspielerin (Laura de la Uz) gespielt werden. Das sind Dinge, die auf dem Papier reizvoll erscheinen, aber ob sie dann auch wirklich funktionieren würden, da hatten wir lange grosse Zweifel.
Interview: Geri Krebs