Berlinale 2016 | Europe, She Loves von Jan Gassmann
Die Schweiz ist dank Jan Gassmann und seinem Film «Europe, She Loves» mit grosser Kinokunst am diesjährigen Festival vertreten.
Wie liebt und lebt Europas «lost Generation» an den unterschiedlichen Enden unseres Kontinents, der politisch auseinander driftet? Welche Sorgen teilt sie, unabhängig von Sprache, Nationalität? Dieser Frage geht der Schweizer Filmemacher Jan Gassmann mit seinem neuen Film «Europe, She Loves» nach, der an der 66. Berlinale seine Weltpremiere feierte. Zu Recht waren sämtliche Vorstellungen an der Berlinale restlos ausverkauft.
Betörende Intimität
Vier Paare, vier Städte: Penny in Thessaloniki lernt Italienisch und will ihren älteren Freund Niko verlassen, der Pizzas ausfährt. Veronika tanzt in einem Talliner Nachtclub und hofft, dass sich ihr Freund Harri besser mit ihrem Sohn Artur versteht. In Dublin kämpfen Siobhan und Terry mit der Drogensucht und schreiben Songs. Juan und Caro sind frisch verliebt in Sevilla und leben in den Tag hinein. Der Film verwebt die vier Episoden und ihm gelingt, was eigentlich zum Scheitern verurteilt war: Die erzählte Ereignislosigkeit zieht uns in ihren Bann. Da sind weder grosse Lebensentwürfe noch berufliche Pläne. Doch der Film schafft eine emotionale Dichte und Unmittelbarkeit – er begleitet die Paare bis hin zum Sex. Die Kamera von Ramon Giger ist zwar immer mittendrin, wird aber nie voyeuristisch. So schafft der Film eine betörende Intimität zu ihren Protagonisten. Dazwischen schieben sich atmosphärische Landschaftsbilder und Nachrichtensprenkel aus dem Off, die europäische Zeitgeschichte kontrastiert dabei mit dem Mikrokosmos der vier Paare. Grosse Filmkunst! Valerie Thurner, arttv.ch